Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Wie viele der engagierten Messagistas und Twitterer dieser Website wissen werden, ist die große Neuigkeit hier, dass ich Die Terranauten vorzeitig fertig bekommen habe und es am 25. September unter Dach und Fach bringen konnte, mit einer netten zierlichen Seitenzahl von 429. Den letzen Monat habe ich in den höchsten und schwindelerregendsten Höhen verbracht, in der dünnen Troposphäre des gestalterischen Himmels. Das will heißen, ich war entrückt, und das ist genau der Grund, weshalb wir Schriftsteller überhaupt schreiben – um aus uns selbst herauszutreten und wieder Zugang zur Urenergie des Universums mit seinen sich spiralförmig nach außen bewegenden Atomen zu finden und, wenn auch nur für kurze Zeit, zu mehr als nur sterblichen Kreaturen zu werden,
»Weise, die ihr steht in Gottes heiligem Feuer/…bringt meiner Seele neu das Singen bei./Zehrt mir das Herz auf; krank vor Verlangen/gekettet an ein Tier, das sterben muss/Kennt sie sich selber nicht; nehmt mich doch mit/Auf in das Kunstwerk für die Ewigkeit.« (William Butler Yeats, Deutsch von Norbert Hummelt)
Klingt das alles ein bisschen übertrieben? Na ja, das ist es ja auch. Aber gestattet mir meine kleine Feier, denn, wie wir wissen geht es von hier an nur noch bergab.
Die anderen wichtigen Ereignisse dieses vergangenen Monats (zumindest für mich) werden auf den beiden Bildern dargestellt, die ihr neben diesem Blog-Eintrag sehen könnt: meine Reise nach Holland und Belgien zur Veröffentlichung von Wie storm zaait (Hart auf hart) in niederländischer Übersetzung bei Meridiaan Uitgevers und die bevorstehende Veröffentlichung der hundertsten Ausgabe von The Best American Short Stories, für die ich als Gastredakteur und Autor des einleitenden Essays tätig war. Zunächst nach Holland. Ich befand mich in den fürsorglichen Händen von Nelleke Geel, einer außergewöhnlichen Redakteurin und unvergleichlichen Schuh-Expertin (siehe den Twitter-Eintrag aus der ersten Woche dieses Monats); alle unsere Fahrten waren das reinste Vergnügen. Wir überquerten die Grenze, um nach Brüssel zu kommen, tauchten dann ein in die Stadt Goes (ausgesprochen Chus), die perfekt in die Serie Twilight Zone passen würde, und kehrten nach Amsterdam zurück, mit Abstechern nach Utrecht und Den Haag. An jeden Veranstaltungsort kamen eifrige, fröhliche und gutaussehende Leser, und ich glaube, alle hatten viel Spaß – und soll es nicht genauso sein? Schließlich ist es wirklich nicht meine Absicht, Schlaf-Seminare zu veranstalten, wenn ich mich auf eine Bühne wage, wo auch immer das sein mag.
Was Best American angeht, so war es mir eine Ehre, meine zwanzig Lieblingsgeschichten aus den 120 zu bestimmen, die die Herausgeberin der Reihe, Heidi Pitlor, aus rund 3000 in Frage kommenden ausgewählt hatte. Übrigens war ich in der Vergangenheit schon mehrmals gebeten worden, einen Band dieser Reihe zu redigieren, aber ich fand einfach keine Zeit für die enorme Arbeit, die damit verbunden war. Ich versprach Heidi, dass ich es tun würde, sobald ich meine Workshops an der University of South California nicht mehr abhalten würde, und dieses Versprechen habe ich nun gehalten, da ich vor drei Jahren meine Lehrtätigkeit aufgegeben habe, um als Writer in Residence zu arbeiten (was mir erlaubt, meine Zeit an der USC auf zwei einwöchige Perioden im Herbst- und im Frühjahrssemester zu beschränken, in denen ich täglich in Einzelgesprächen den ganzen Tag mit Studierenden zusammentreffe und auch meine Arbeit öffentlich darstelle; das nächste Mal wird das in der Woche vom 19. bis 23. Oktober der Fall sein, und bei der Lesung in der Doheny Library, die für alle offen ist, am 20. Oktober).
Noch tiefgreifendere Neuigkeiten? Ich weiß nicht. Ich habe es überlebt, ein paar Mal im ungewöhnlich warmen Pazifik zu schwimmen, der tropische Hammerhaie in unsere Gewässer gelockt hat, wodurch die Weißen Haie frustriert waren, weil ihre Beutetiere (Robben) mit deren Beute (Sardellen und Ähnlichem) nach Norden gezogen sind. Frustrierte Weiße Haie attackieren immer wieder Kajaks (ja, ich war so dumm, diesen Monat ein paar Mal mit meinem Kajak auf die hohe See hinauszupaddeln) und beißen Stücke aus Surfbrettern heraus. Was mich dieses Mal verschont hat, war abgesehen vom Schicksal meine Entschlossenheit, Die Terranauten fertigzustellen. Wenn man sich dem Ende eines langen Projekts nähert, neigt man dazu, abergläubisch zu werden, zu denken, dass ein verhängnisvolles Unglück sich zwischen einem selbst und der Fertigstellung des Projekts stellen könnte, das dann im Keim erstickt werden würde. (»Also, ich bin ja nicht abergläubisch, aber eine schwarze Katze ist mir über den Weg gelaufen«, Howlin‘ Wolf.) Zusammengefasst also: Ich lebe, Ihr lebt, der neue Roman ist fertig, und die Hammerhaie und Weißen Haie ernähren sich von etwas da draußen, das zufällig nicht ich bin. Alles ist gut.
Bis zum nächsten Mal. Ciao.
Im Original erschien der Text am 30. September 2015 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.