Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Die gute Nachricht für mich, den erschöpften, vom Jetlag geplagten Reisenden, ist, dass ich mich jetzt wieder meinem nächsten Roman widmen kann. Die Deutschland-(und Österreich-)Tour für No Way Home dauerte fast drei Wochen, und auch zwei Tage nach meiner Rückkehr habe ich noch Schwierigkeiten, mich wieder in der Realität zurechtzufinden. Natürlich gleicht der Kampf gegen das Chaos hier in diesem Haus dem Sturz von einem sinkenden Schiff in eisiges, wirbelndes Wasser, sodass allein schon dieser Kampf mich aus dem Zombie-Zustand gerissen hat, in dem ich mich auf Grund der Erschöpfung durch die Tour befand. (Wie jetzt, kein Zimmerservice? Kein »das Frühstück«, das wie ein Festessen angerichtet ist? Und was sollen die ganzen zerknitterten Anziehsachen in den Ecken und die Hunde- und Katzenhaare, die überall verteilt sind wie eine Moräne aus Keratin? Räumt hier denn keiner auf? Muss ich mir meinen Bagel ganz alleine herauskramen? Und ihn aufschneiden, toasten, mit Frischkäse bestreichen? Meinen Mund selbst aufmachen? Meine Zähne selbst in Bewegung versetzen?)
     Nein, nein, nein, alles ist gut. Jetzt im Moment, während ich diese Mitteilung für Euch verfasse, sorgt die Hündin wie gewohnt für meine Gemütsverfassung (sie liegt ausgestreckt auf dem Teppich neben meinem Schreibtisch und schläft), genauso wie Toots and the Maytals mit 54-46 Was My Number. Musik, Hund, eine starke Tasse Tee, Finger, die über die Tastatur tanzen – all das fängt an, mir wieder vertraut vorzukommen.
     Uff!
     Das Beste bei alldem ist jedoch der Nachhall der Tournee, bei der ich mit einer Fülle von Liebe überschüttet wurde, von den Tausenden von Menschen, die zu den Lesungen gekommen waren, die wir mit mehreren fähigen Moderatoren und dem unvergleichlichen Ben Becker organisiert haben, der die deutschen Passagen mit seiner tiefen, einnehmenden Stimme bereichert hat. Und das alles wegen Literatur! Wir haben keine Filme gezeigt und keine Instrumente gespielt, und doch: Da waren wir und es war etwas ganz Besonderes, dort auf der Bühne zu stehen. Trotz gegenteiliger Anzeichen, insbesondere in meinem eigenen leidenden Land, sind Worte noch immer in der Lage, uns zu berühren. Den nächsten Roman werde ich natürlich auf jeden Fall schreiben, aber der Nachhall macht dies umso dringender. Ja, Freunde, ich hoffe, Euch Neues präsentieren zu können, wie es das Bestreben jedes Künstlers ist. Nächstes Jahr wird die neue Sammlung The End Is Only A Beginning erscheinen, deren letzte Geschichte (The Pool) Ende September in The New Yorker veröffentlicht wurde, sodass ich mich wieder in meinen neuen Roman stürzen kann. Wenn ich nur das Gefühl der Unwirklichkeit abschütteln könnte, das mich derzeit bedrückt.
     Aber Deutschland und Österreich! Zu dieser Zeit des Jahres dort zu sein, hat etwas Magisches – der kalte Kuss des Winters, die Weihnachtsmärkte in Berlin, Düsseldorf und Frankfurt, die Landschaft, die sich hinter den Zugfenstern entfaltete wie eine filmische Erinnerung an meine Jugend im Staat New York; alles gut. Und was machte es da schon, dass Thanksgiving aus Käsesandwiches im Green Room bestand? Ich war genauso zufrieden, als wäre ich bei meiner Großmutter zu Hause und würde mich am offenen Kamin wärmen. Ich bin Euch allen wirklich unendlich dankbar, dass Ihr gekommen seid, um mir Hallo zu sagen, und dass Ihr es mir ermöglicht, in der Literatur, auch außerhalb der Seiten, in der wirklichen Welt, zu leben. Okay, wieder an die Arbeit. Frohe Weihnachten und allen eine gute Nacht.


Im Original erschien der Text am 07. Dezember 2025 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.