Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Beate Walz
Wie schon zuvor von den europäischen Messagistas berichtet, war ich etliche Zeitzonen entfernt, um Deutschland, Schweiz und Frankreich mit guter Unterhaltung zu beliefern. Das Tempo war mörderisch – wenigstens in den ersten zwei Wochen in Deutschland – und obwohl ich schon seit einer Woche zu Hause bin, habe ich mich noch nicht davon erholt. Meine Gedanken sind verworren und mein Körper ist eigensinnig, als ob ich irgend eine komische Trennung von Wahrnehmung und Körperlichkeit erfahren hätte. Ich frage mich, wieviel guten kalifornischen Weines es brauchen wird, um das Getrennte wieder zueinander zu bringen. Auf jeden Fall ist alles glatt gegangen. Die Veranstaltungen waren alle ausverkauft, und überall fanden wir eine große und enthusiastische Zuhörerschaft vor (in Stuttgart über elfhundert). Übrigens, das »Wir« in diesem Zusammenhang bezieht sich auf mich und Jan Josef Liefers, den großartigen deutschen Schauspieler, der mich auf meiner Tour begleitete (Jan Josef ist die Stimme des Hörbuches von Dr. Sex, wie The Inner Circle in Deutschland genannt wird, und er und ich lasen abwechselnd den Prolog, auf englisch und deutsch). Zweimal hatten wir als Moderator meinen alten Freund, den »coolen« David Eisermann, und ebenfalls zweimal einen anderen alten Freund, Manfred Heinfeldner, dabei. Und in Zürich hatte ich einmal mehr das Vergnügen der Zusammenarbeit mit Alexander Seibt. Was für ein Spaß! Welch Erschöpfung! Und wie hoch kann ich es der heroischen Christina Knecht vom Hanser Verlag anrechnen, die sich mächtig für meinen Überlebenskampf abrackerte?
Die paar Tage in Paris habe ich damit zugebracht, Journalisten zu treffen, wegen der kommenden Veröffentlichung von The Inner Circle (Le Cercle des initiés) im September, und ich konnte eine wohltuende Stunde mit Carlos Fuentes herausschlagen, zu dem ich von einer anderen alten Freundin eingeladen worden war, der Directrice littéraire von Grasset, Ariane Fasquelle. Außerdem, und in ganz ergreifender Weise, hatte ich Gelegenheit, das Institut Des Sourds-Muets zu besuchen, in welchem der Wild-Child-Teil von Talk Talk spielt, und wo ich die marmorne Treppe hinaufstapfte, die auch einst Victor benutzt hatte. Ach ja, dann war da noch dieser Abend, mein einziger freier Abend, an dem ich eine winzige Flasche Wein und eine Stulle mit hinunter an die Seine nahm, um dort zu sitzen, zu essen, zu trinken und zu lesen – ein guter Plan, ein edler Plan, der jedoch, unglücklicherweise vom Regen unterbrochen wurde. Nicht davon entmutigt, geschlagen gegeben, ins Mark getroffen oder übermäßig gelähmt, machte ich es mir auf ein paar Pappen gemütlich, welche die örtlichen Clochards dort unter einer der Brücken liegen gelassen hatten. Während ich glücklich und zufrieden las, trank und mampfte, schlenderten Paare unter Regenschirmen an mir vorbei, auf der Suche nach feiner Küche. Sie sahen die roten Turnschuhe, den Bart, die Lederjacke und fragten sich selbst: Verschnorrt der dort Euros? Aber nein, das ist ja nur ein harmloser amerikanischer Romancier, der die Nachtluft genießt.
Was noch? An der Veröffenlichungsfront hat Viking den Zuschlag für Talk Talk bekommen (die Nachricht erreichte mich telefonisch im Hotelgarten in Köln), und wir planen eine schnelle Veröffentlichung. Beim jetzigen Stand der Dinge soll das Buch in weniger als einem Jahr erscheinen, und das ist schnell, wenn man bedenkt, dass wir im September drei Bücher herausbringen: Zähne und Klauen, Der Fliegenmensch und die Taschenbuch-Ausgabe von Dr. Sex. Bezüglich der Lesungen – ja, ich bin durch und durch ausgebrannt – aber ich werde einen Auftritt im Sommer haben und natürlich die Acht-Städte-Tour im Herbst, einschließlich eines Stopps beim New York Festival, wo ich mit einem glänzenden Schreiber auftrete, der zufälligerweise mein ehemaliger Student David Bezmozgis ist.
Und was ist dieser eine (Sommer-)Auftritt, mögt ihr Euch fragen? Wie schon im letzten Eintrag erwähnt: am Vatertag, dem 19. Juni, um 18:00 Uhr, werde ich im Hammer Museum in Westwood sein, um eine Vater/Tochter-Lesung mit Kerrie zu halten. Alle sind willkommen. Ich sehe Euch dort. Bye-bye.
P.S. Das Foto auf dieser Seite ist von Thomas Rabsch, der mich in Köln einlud, mit seiner kleinen Plastik-Aufblaspuppe im Edvard-Munch-Stil »Der Schrei« zu interagieren.
P.P.S. Erstaunlicherweise gibt es eine erste Vorabbesprechung von Zähne und Klauen. Es ist eine überschwängliche und (zum Glück) anerkennende Besprechung im Kirkus.
Im Original erschien der Text am 10. Juni 2005 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Beate Walz. Foto: Thomas Rabsch