Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Hier sind wir nun, am dunkelsten Tag des Jahres, feiern unsere Wintersonnenwende vor Weihnachten und fühlen uns dabei wie Heiden, ganz ungeniert. Wie einer der drei Protagonisten von Die Terranauten sagt:
»In meinen Augen ist Weihnachten, ehrlich gesagt, völlig belanglos, ein zwanghaftes, hirnloses Relikt aus primitiven Zeiten, als man im Winter die Sonne mit jedem Tag tiefer sinken sah und eine Heidenangst bekam. Was, wenn sie nie mehr zurückkehrte? Was, wenn die Tage immer kürzer wurden, bis es nur noch ewige Nacht gab? Die Menschen hockten zitternd in ihren Hütten, machten Feuer, intonierten, sprachen Zauberformeln und brachten Opfer dar, um alle Götter, die sie dahinter vermuteten, zu besänftigen, und siehe da: Die Tage wurden wieder länger, und alle waren gerettet – für ein Jahr jedenfalls. Dann kam Jesus, und seine Anhänger legten seinen Geburtstag praktischerweise so, dass sie den ganzen Spiritus-Sanctus-Kram über die uralten Sonnwendrituale stülpen konnten: die Geburt der Sonne und des Sohns Gottes.« (Deutsch von Dirk van Gunsteren)
Das sagt Ramsay, nicht ich. Die Terranauten haben beide Weihnachten, während derer sie in der Ecosphere eingeschlossen waren (und alle heidnischen Feiertage ebenfalls), gefeiert, und ich selbst freue mich auf ein kleines Familientreffen hier in vier Tagen. In der Zwischenzeit habe ich den Staub von meiner Weihnachtsgeschichte Drei Viertel des Wegs zur Hölle gepustet (Ihr könnt sie im Archiv von »What’s New?« vom Dezember 2007 oder in Good Home finden) und werde, wenn die Sonne heute ihren tiefsten Stand erreicht, singend und trinkend von Haus zu Haus ziehen. Ich werde außerdem in der Buchhandlung stöbern und passende Bonbons für Frau B.s Lesevergnügen am Weihnachtsmorgen aussuchen. Was ich damit sagen will, ist: Trotz Ramsays rationaler Herangehensweise an die Feiertage wünsche ich Euch allen eine fröhliche Feierei, egal, ob Ihr zu den primitiven Klängen unserer äffischen Vergangenheit tanzt, oder zu der Erkenntnis kommt, dass alle unsere Religionen auf Science-Fiction-Romanen beruhen oder ob Ihr Tiny Tim aus Charles Dickens‘ Weihnachtsgeschichte imitiert und der Geburt in Bethlehem huldigt. Genießt es, meine Freunde. Mögen Eure Strümpfe voll sein und Eure Menorahs hell leuchten.
Im Original erschien der Text am 21. Dezember 2015 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.
