Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Nach dreizehn Monaten überschwänglicher Freude, des Grauens, des Hirntods und der Selbstmordgedanken habe ich jetzt den neuen Roman, mein zweiunddreißigstes Buch der Belletristik, fertig, einen Roman mit dem Titel No Direction Home. Wie ich mich fühle? Ich will den letzten Absatz meines Essays This Monkey, My Back zitieren, in dem ich fiktionales Schreiben mit Drogensucht vergleiche:
»Das ist das Schöne an dieser Sucht – man muss weitermachen, kein Ruhestand, blicke voraus, obwohl du nicht sehen kannst, wo du hingehst. Zuerst hast du gar nichts, und dann, erstaunlicherweise, nachdem du dir dein Hirn und dein Herz herausgerissen hast und deine Freunde und Ex-Geliebten betrogen hast und wie ein Zombie geträumt hast wegen einer Seite, bis du weder hören noch riechen oder schmecken kannst, dann hast du etwas. Etwas Neues. Etwas Wertvolles. Etwas, was man hochhalten und bewundern kann. Und dann? Nun, du bist auf Droge, nicht wahr? Und du fängst wieder von vorn an, mit gar nichts.«
Postpartale Depression? Dafür ist keine Zeit. In den Tagen, als es noch keine Computer gab, habe ich die Monate nach Fertigstellung damit zugebracht, eine saubere Endfassung auf meiner manuellen Olivetti-Schreibmaschine zu tippen, die mir meine Mutter geschenkt hatte, als ich aufs College ging, eine quasi mittelalterliche Beschäftigung, die mich so absorbierte, wie wohl das Material den Bildhauer absorbiert. (Meine Güte, was für kräftige Finger, Finger aus Stahl, die die ganze Welt in Balance halten könnten, ohne einen Tropfen zu verschütten!) Jetzt gehe ich zurück zur ersten Seite, nehme Korrekturen vor, überprüfe den Inhalt auf Folgerichtigkeit, Sinnhaftigkeit und Emotionen, klicke auf Senden und schicke alles an meinen Agenten, damit ich von den Fähigkeiten seiner Augäpfel und seines Gehirn profitieren kann, der dann wiederum auf Senden klickt und es meinem Lektor schickt.
Okay. Gut. Zauber der Elektronik. Aber was soll ich denn jetzt mit mir anfangen? Da ist der Strand, an dem ich an den meisten Tagen aufkreuze, früh im Morgennebel, und dann später, entweder um zu lesen und ins Wasser zu springen, oder das Paddel des Kajaks zu schwingen. Und all das ist natürlich reines Hobby, denn meine wahre Berufung ist es, hinter Frau Boyle aufzuräumen und sicherzustellen, dass alle ihre Bedürfnisse mehr als erfüllt werden. Wie diejenigen von Euch, die mir auf X oder auf tcboyle.com folgen, wissen werden, arbeite ich in Bezug auf meiner Bücher in einer bestimmten Abfolge – Roman, ein halbes Buch mit Erzählungen, Roman, die zweite Hälfte des Erzählungsbandes – und hier befinde ich mich jetzt. Die ersten sechs Geschichten für die nächste Sammlung habe ich vor dem gerade abgeschlossenen Roman geschrieben, und nun hoffe ich, da das Jahr immer schlanker und kälter und nasser wird und seine hungrigen Zähne zeigt, mich wieder den Kurzgeschichten zuzuwenden. Ihr habt schon einige der ersten sechs im New Yorker und im Esquire lesen können und erst kürzlich (The Maneater) in der aktuellen Ausgabe von Narrative.
Puh! Jetzt bin ich fertig!
(Jedenfalls vorläufig.)
Im Original erschien der Text am 22. August 2024 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.