Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Dies ist die Verpuppungsausgabe Eures freundlichen Nachbarschaftsblogs, der vorigen Monat in sein sechzehntes Jahr getreten ist, und das heutige Datum liefert auch einen Grund zum Feiern, denn heute fängt unser zweindzwanzigstes Jahr in diesem alten Haus an, das 1909 erbaut wurde, als ich noch ein kleiner Junge in kurzen Hosen war. Zweindzwanzig Jahre sind mehr, als wir je an demselben Ort gewohnt haben. In unseren gemieteten Häusern und Wohnungen in New York haben wir nie länger als ungefähr ein Jahr gelebt (einschließlich des besten, des Torhauses des Osborne Castle in Garrison). Und in Iowa City hatten wir drei Jahre eine Studentenbude und dann so etwa zwei Jahre ein gemietetes Haus. Dann ging es nach L.A., zuerst ins Gartenviertel Tujunga, wo wir fünfeinhalb Jahre ohne jegliches Nachtleben verbrachten (die Wanderungen in den San Gabriel-Bergen haben sicherlich dabei geholfen, ebenso wie der Loch Ness Monster Pub in Pasadena), danach dann ein Umzug nach Woodland Hills (dort hat mich das Wandern im Topanga Canon gerettet, ebenso die Reggae-Abende im Something’s Fishy am Ventura Boulevard), dort waren wir knapp zehn Jahre, und jetzt sind wir hier in Santa Barbara. Aber das ist keine Verpuppung, oder? Das ist das Erscheinen eines Schmetterlings, schätze ich. Der nächste Schritt? Auf den Friedhof. Falls wir so viel Glück haben.
Ich habe in einem früheren Blog schon mal erwähnt, dass ich der Natur in dieser Saison bezüglich der Monarchfalter-Population in größerem Umfang unter die Arme greife. Der hintere Teil unseres Grundstücks ist als »umweltsensibel« eingestuft worden, da er ein Lebensraum für überwinternde Schmetterlinge ist (war). Früher, bis vor vielleicht acht oder zehn Jahren, schmückten diese die Bäume im Spätherbst jeden Morgen in langen grauen Strängen, da sie sich in den kühlen Stunden der Nacht aneinander klammerten, und nachmittags flatterten sie zu Tausenden herum. In letzter Zeit ist ihre Zahl stark zurückgegangen. Ich habe Seidenpflanzen eingesetzt, um ihnen zu helfen, und das Ergebnis war eine reiche Ausbeute an fetten gefräßigen Raupen und grazilen flügelschlagenden Wesen über mindestens drei Generationen allein in diesem Sommer. Es sieht so aus, als züchte ich auch Eidechsen. Und Frösche im Teich. Ich mag das, also ein kleines Naturreservat inmitten meines Vorstadt-Bereichs zu schaffen, in dem sich die Geschöpfe nach Belieben bewegen und freien Umgang mit den Ratten pflegen können, die hier wahrscheinlich in der Überzahl sind – abgesehen von den Ameisen vielleicht.
Übrigens, für die, die es vielleicht nicht erkennen: Das beigefügte Foto ist der unglaubliche Kokon des Monarchfalters. Ich weiß ja, ich weiß. Er sieht so aus, als sei er aus Marzipan – oder, was wahrscheinlicher ist, aus Plastik – hergestellt in einer Fabrik in Hanshin. Aber hier ist er. Meine Frage an alle Lepidopteraphilen da draußen: warum ein so farbenfroher und damit auffälliger Kokon? Aus demselben Grund, aus dem auch die Raupe und der ausgewachsene Schmetterling bunt sind? Also um potentielle Fressfeinde daran zu erinnern, dass sie nicht gut schmecken, weil sie giftige Herzglycoside aus der Seidenpflaze enthalten? Oder wollen sie einfach nur schön sein, auch während ihrer zauberhaften Metamorphose?
Nun ja, gut. Genug davon. Was gibt’s Neues? Wie ich schon letzten Monat erwähnt habe, wird Harper’s No Slant to the Sun veröffentlichen, einen Auszug, der aus dem ersten Kapitel von Hart auf hart besteht, was Ecco hier am 31. März und der Hanser Verlag im Januar herausbringen wird (jawohl, die Übersetzung erscheint vor dem Original!). Ich habe kürzlich erfahren, dass ich während der letzten beiden glorreichen Februarwochen in den deutschsprachigen Ländern auf Tour sein werde. Ob ich wohl abends ein Jacket brauche? Eine weitere Neuigkeit: Die vorletzte Erzählung Was Wasser wert ist, weißt du (erst, wenn du keins mehr hast) hat ein Zuhause gefunden, Narrative, das in der Vergangenheit schon Auszüge aus einigen meiner Romane gebracht hat, wird die Geschichte später in diesem Jahr, im Dezember, denke ich, veröffentlichen (zur selben Zeit wird der Playboy Diebstahl und andere Sachen bringen, und McSweeney’s hat Die argentinische Ameise versprochen. Die verbleibende Erzählung, Der Fünf-Pfund-Burrito, die wegen ihrer absoluten, uneingeschränkten Zügellosigkeit zu meinen Lieblingen in der neuen Gruppe von Geschichten gehört, wartet immer noch auf die Entscheidung eines Redakteurs, während ich das hier in die Tasten haue. Ich lasse Euch wissen, wie die Entscheidung ausfällt, sobald ich davon erfahre.
Die größten Neuigkeiten sind für mich jedoch persönliche, und zwar an zwei Fronten. Erstens, und das ist am wichtigsten, habe ich erfahren, dass Kerrie und Jamieson nach einigen gemeinsamen Jahren beschlossen haben zu heiraten (ich werde Euch im nächsten Monat berichten, wie alles abläuft, denn ich möchte keine Details im Voraus preisgeben, da ich fürchte, die Kardashians könnten die Party stürmen). Zweitens, und auch das ist insofern von Bedeutung, als es mich höchstwahrscheinlich noch eine Weile vom Selbstmord abhalten wird, habe ich mit dem nächsten Roman angefangen. Er befindet sich in einem sehr frühen Stadium, Leute, und ich kann noch gar nichts darüber erzählen, aus Angst, die mit dem Schaffensprozess verbundenen Voodoo-Kräfte freizusetzen, aber ich kann sagen, dass mich das Thema wieder zur Umweltproblematik zurückführt. Wenn es funktioniert – wenn es auf bunten Flügeln dahinsegelt wie die Monarchfalter vor meinem Fenster – lasse ich es Euch wissen.
Bis dahin ciao.
Im Original erschien der Text am 25. August 2014 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.