Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Um meine Mitstreiter von The Gratetful Dead zu zitieren: »Was war das für eine lange, seltsame Reise!« Die Fluggesellschaften haben wie immer alle Tricks angewandt, die Temperatur sank von um die dreißig Grad Celsius in Miami auf knapp über Null im windigen Mittleren Westen, und meine Koffer wurden von Station zu Station schwerer. Diät? Vergiss es. Ernährung? Viel Glück. Wie ich auf meinem neuen Twitter-Account schrieb: »Wenn man einen gesunden Menschen eine Woche lang in ein Nobelhotel steckt, bekommt er Gicht im Endstadium und schwere ›saubere Bettlakitis‹«. Und kurz darauf kommt der Tod. Großer Gott, bin ich froh über diese zweitägige Pause, über den Bagel zum Frühstück, das Müsli zu Mittag und den selbstgemachten Gemüse-Pita-Wrap zum Abendessen. Und es ist noch nicht vorbei: Morgen Tavis, gefolgt von einer Signierstunde in Chaucer’s Buchladen im guten alten Santa Barbara, und dann ab nach Colorado, um die Leute in Steamboat Springs und Denver zu unterhalten. Das alles ist für Frau Boyle ziemlich schwer zu ertragen, die ich im letzten Monat nur flüchtig gesehen habe. Sie ist zu Hause mit einem ihrer bärenstarken Söhne, zweien ihrer vier Brüder und unserem Puli, Ilka, die vor kurzem ein potentieller Filmstar geworden ist (dazu später mehr), aber das ist natürlich nur ein schwacher Trost, denn sie hat mich engagiert, um sie zu unterhalten (und für ein paar andere Dinge, wie z. B. Service, sowohl bei der Hausarbeit als auch in einem anderen, intimeren Bereich), und bei alldem war ich ziemlich nachlässig, während ich in verschiedenen Hotelbetten lag und an die Decke starrte. Beschwere ich mich etwa? Nein. Ein Hoch auf meine Presseagentin Sonya Cheuse und all die guten Menschen im Ecco Verlag, die das Buch wirklich bekannt gemacht haben und Hart auf hart in der ersten Woche nach Verkaufsstart auf Platz 13 der New York Times-Liste und noch weiter oben auf vielen regionalen Listen gebracht haben, einschließlich Platz 2 in der letzten Woche und Platz 5 heute auf der Liste der L.A. Times.
Ist das wichtig? Eigentlich nicht. Ich mache das nicht wegen der Zahlen, sondern weil das Schreiben von Geschichten meine größte Sucht ist und weil ich wahnsinnig gern auf der Bühne stehe und Euch diese Geschichten präsentiere. Und dennoch tätigt mein Verlag eine Investition, genau wie ich, und wir freuen uns über die riesengroße Aufmerksamkeit für das Buch – und auch über die Verkaufszahlen. Wie hier im Message Board dokumentiert wurde, lese ich dem lebhaften Publikum, das den Weg zu mir gefunden hat, meist einen von zwei Abschnitten vor: eine gekürzte Version des ersten Kapitels, in dem Sten, unfähig, sich im Zaum zu halten, einen Angreifer mit bloßen Händen tötet, und die Szene, in der Sara eingeführt wird (klickt hier auf den Buchtitel The Harder They Come), in der sie erlebt, wie sich ihre Weltsicht von der der Polizei unterscheidet. Beide Abschnitte sind sehr unterhaltsam. Der erste stimmt die Leute auf das Drama ein; der zweite gibt Anlass zu ein paar Lachern über den Unterschied zwischen Saras Sichtweise und der Art und Weise, wie wir normale Menschen auf die Welt blicken (obwohl, wer möchte sich unter der schweren Last, die dieser überfürsorgliche Staat uns auferlegt, nicht daneben benehmen?)
Jedenfalls wurde der Hund in meiner Abwesenheit zu einer potentiellen Film-Ikone, denn Jamieson und Kerrie sind gerade dabei, dem Buchtrailer für Hart auf hart den letzten Schliff zu geben. Wie diejenigen von Euch, die das Buch gelesen haben, sicher schon ahnten, haben sie die Szene ins Bild gesetzt, in der Sara und Adam Saras Puli Kutya aus dem Tierheim befreien. Die Szene verlangt nach einem weißen Puli, aber da Pulis, egal von welcher Farbe, so selten sind wie Regentropfen in Südkalifornien, mussten sie mit Ilka, einem schwarzen, vorlieb nehmen. Natürlich hätten sie sie aus Gründen der Wahrhaftigkeit auch weiß anmalen können, aber ich kann ihre Abneigung dagegen ebenso nachvollziehen wie die künstlerische Freiheit, die sie in ihren Herzen tragen und die es ihnen erlaubt, das Werk auf ihre eigene Art und Weise freizügig zu interpretieren. Bleibt dran. Der Trailer wird bald auf einem You-Tube-Kanal in Eurer Nähe zu sehen sein.
Was die Höhepunkte der Tournee angeht, die natürlich jetzt noch andauert, so fällt es mir schwer, auch nur ein halbes Dutzend herauszupicken, da jede einzelne der vielen Auftritte viel Freude gemacht hat und das Publikum (das seid Ihr, Leute) warm und aufgeschlossen, um nicht zu sagen angeheitert, war. All das ist gut so, und ich danke Euch allen. Aus persönlicher Sicht muss ich jedoch zwei Dinge herausgreifen. Das erste – und das beigefügte Foto aus der L.A. Times veranschaulicht das – war die Verleihung des Robert-Kirsch-Preises für mein Gesamtwerk am vergangenen Samstag. Die Handbewegung, die ich mache, unterstreicht die Anerkennung, die ich hier Herrn und Frau Heck zolle, die den ganzen Weg von Luxemburg nach Kalifornien gepilgert sind (und das, nachdem Herr Heck erst vorletzten Monat jeden der deutschen und österreichischen Auftritte besucht hatte). Es war ein großartiger Moment für mich und sinnbildlich für all die Hingabe und Zuneigung – und ja, Liebe – die diese Website mir bringt. Die zweite Begebenheit ereignete sich vor gerade einmal drei Tagen, in Troy im Staat New York, wo meine bereits erwähnte und überragend effektive Presseagentin Sonya Cheuse dankenswerterweise eine Lesung für das Hudson Valley Community College in die Tour integriert hatte.
Es war so: Mein engster Freund, mit dem ich aufgewachsen bin (ich nenne ihn kurz A.), kam am Abend vor dem Auftritt von Peekskill herauf, um mit mir abzuhängen. Wir gingen essen, und als wir danach durch die kalten, dunklen, windigen, von Mauern umgebenden Straßen von Troy zum Hotel zurückgingen, trat uns ein etwas angetrunkener, ziemlich heruntergekommener Typ in den Weg. Was wollte er? Geld, natürlich. Aber seine Aufwärmphase, um uns dann unter Druck zu setzen, bestand aus höflicher Konversation. Er schätzte uns sofort ein und sagte, indem er A. ansprach: Vater und Sohn, oder? Ich gab dem Kerl einen Tausender. Und am nächsten Tag hatte ich das große Vergnügen, A. öffentlich als meinen Vater zu bezeichnen. Und noch besser, ich durfte ihn Dad nennen.
Okay. Er ist nicht so alt (eigentlich nur zwei Monate älter als ich), aber bitte, besorgt dem Mann Krücken. Eine Decke, die er über seine Knie legen kann. Ein Hörgerät, Grauer-Star-Operation, Organtransplantationen, einen Satz Golfschläger. Mein Gott. Es hat doch keinen Sinn, alt zu sein, wenn man dabei nicht ein bisschen Spaß hat. Stimmt’s, A,?
Stimmt.
So, das war’s erstmal. Ciao, Leute. Wir sehen uns hoch oben in den Rocky Mountains.
PS Mittwoch, 18:30, Bud Werner Memorial Library, Steamboat Springs. Donnerstag, 19:00, Tattered Cover, Denver.
Im Original erschien der Text am 26. April 2015 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.