Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Der Frühling ist ausgebrochen. Die Kolibris haben ihr Nest vom letzten Jahr für die diesjährige Brut renoviert, und die Baumfrösche haben im Paarungsrausch in den Gräben, die durch den lang erwarteten Regen der letzten Woche vorübergehend aufgeweicht waren, herumgelärmt. Die Eulen heulen nachts in den dunklen Baumkronen um die Wette. Und die Ratten sind natürlich in heller Aufregung – wenn Ihr mir auf Twitter (ich werde es nicht X nennen) und Bluesky folgt, werdet Ihr wissen, dass ich in der vergangenen Woche eine schlanke Nr. 385 oben im Buschland abgeliefert habe. Was mich betrifft, so halte ich mich an den immer noch kühlen Morgen meist am Strand auf und klettere an dem einen oder anderen Nachmittag in mein Kayak, während ich darauf warte, dass das Meer warm genug ist, dass ich mit einer gewissen Chance, es zu überleben, wieder schwimmen kann. Ich bin immer noch auf der Suche nach dem nächsten Roman und hoffe, dass sich noch ein paar mehr Geschichten zeigen werden, zusätzlich zu den dreien, die ich seit der Fertigstellung des aktuellen Romans geschrieben habe (No Way Home, der hier im nächsten Frühjahr und in Deutschland in diesem Herbst in der Übersetzung erscheinen soll; Hanser wird das Original unter seinem Verlagsnamen zeitgleich mit der Veröffentlichung in den USA bei Liveright herausbringen). Die jüngste Geschichte heißt The Elgar und handelt von einem jungen Cellisten; ihr gingen Go With the Soft und The Nonexistent Child voraus. Ich lasse es Euch wissen, wann und wo sie erscheinen.
     Ich habe soeben mein Belegexemplar von A Century of Fiction in The New Yorker, 1925-2025, erhalten, herausgegeben von Deborah Treisman; ich lese mich gerade hindurch, beginnend mit Geschichten von E.B.White, John O’Hara und James Thurber (das wird eine Weile dauern, da das Buch 1119 Seiten umfasst.) Falls Ihr euch das fragt, Deborah hat von den 32 Kurzgeschichten, die ich in The New Yorker veröffentlicht habe, Chicxulub für diese Anthologie ausgewählt. Gleichzeitig genieße ich das unbedingt lesenswerte Buch Flagrant, Self-Destructive Gestures von Ted Geltner, eine Biografie von Denis Johnson, einem der begabtesten und originellsten Autoren meiner Generation, die noch in diesem Jahr bei University of Iowa Press erscheinen soll. Eine Menge großartiges Zeug, um mich von dem ständigen egozentrischen Chaos abzulenken, das an die Stelle unserer ehemaligen Demokratie getreten ist. Aber warum weinen? Warum sich grämen? Die Jahrezeiten folgen sowieso aufeinander, egal, ob man in einem freien Land oder in einer faschistischen Autokratie lebt. Spürt die Sonne in Eurem Gesicht – oder, wenn es bei Euch daheim noch schneit, legt noch einen Scheit Holz ins Feuer. Freut Euch. Es ist Frühling.
     Jetzt erstmal ciao.


Im Original erschien der Text am 28. Februar 2025 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.