Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Als ich mit dem Schreiben von Blue Skies begonnen hatte, schickte ich eine meiner Hauptfiguren, Cooper Cullen – der mit einer Zeckenforscherin zusammen war – mit ihr hinaus ins Feld, um für ihre Studien Zecken zu sammeln. Es war windig. Sie sammelten nichts, das Laken, das sie durchs Gebüsch zogen, flatterte in ihren Händen, und trotzdem entdeckte er später, gerade als er zu Bett gehen wollte, eine winzig kleine Zeckenlarve, die in seinem rechten Unterarm steckte, was zu einer Infektion, zu einer Zellgewebeentzündung, und schließlich zum Verlust seines Unterarms führen sollte. Zwei Wochen später wanderte ich über den San Marcos Pass, kam nach Hause und entdeckte eine Zeckenlarve, die in meinem Unterarm steckte. Sie bescherte mir eine Zellgewebeentzündung, und während der ersten Woche stand es auf der Kippe, bis das Antibiotikum anfing zu wirken. Nun ist es so, dass ich nicht an Voodoo oder Karma oder Gedankenübertragung oder irgendwelche göttlichen Wesen glaube, wie ihr wahrscheinlich wisst, aber dennoch …
Dies vorweg zum Bericht über meinen derzeitigen Zustand. Ich habe letzten Monat meinen neuen Roman beendet (No Direction Home, Umfang etwa 300 Seiten). Gegen Ende des Buches hat eine meiner Hauptfiguren, Jesse Seeger, einen Unfall, bei dem er sich das rechte Bein und den rechten Ellenbogen bricht, was den Umgang mit Krücken für ihn schwierig macht. Und ich? Vor zwei Wochen hatte ich einen Unfall, bei dem ich mir an zwei Stellen das rechte Bein brach und mir auf der linken Seite eine Rippe angeknackst habe, was mir den Umgang mit Krücken schwierig macht. Ich bin auf meinen Schreibtisch, das Bett und die Küche beschränkt, wo ich auf einem Bein hinter Frau B. herräume. Dies ist für mich besonders schwer, da ich so aktiv bin – hyperaktiv, wie manche sagen würden. Was mache ich dagegen? Ich verzweifle natürlich und frage mich, warum die Fantasien meines Unterbewusstsein sich in dem manifestieren, was wir so wunderschön mit dem »wirklichen Leben« bezeichnen.
Ich muss an dem neuen Roman noch herumfeilen und ihn vervollkommnen, und ich stelle eine »Best-of«-Anthologie meiner Erzählungen zusammen, darunter einige Geschichten der letzten beiden Sammlungen, The Relive Box und I Walk Between the Raindrops, die nach T.C. Boyle Stories II von 2012, dem zweiten Band der gesammelten Erzählungen, erschienen sind; weiterhin ein paar neue, bisher nicht gesammelte Geschichten. Ganz schön viel, was mich auf Trab hält. Und ich habe sogar noch mehr Zeit zum Lesen und für Filme (dem Schicksal sei Dank für den Criterion-Kanal), was mir gut tut (aber nicht so sehr wie meine Wanderungen am Strand und hinauf in die zeckenverseuchten Berge). Zur Zeit lese ich Lucky Jim (Glück für Jim) erneut und mein eigenes Buch Riven Rock, wegen kürzlich angemeldetem Interesse an einer Verfilmung. Ich kenne Lucky Jim besser als mein Riven Rock, da ich ersteres im Lauf der Jahre einige Male gelesen habe, besonders, wenn ich – so wie jetzt – etwas zum Lachen brauchte. Es ist für mich von großem historischem Interesse, wieder in Riven Rock einzutauchen (die Geschichte der katastrophalsten Ehe seit Blaubart), zum ersten Mal seit der Veröffentlichung 1998. Es fühlt sich natürlich vertraut an, aber auch neu, so wie bei jedem Buch, das wir noch einmal lesen. Mitreißend, in der Tat.
So. Habe ich Euch erschreckt? Ich habe mich echt selbst erschrocken. Als ich Ende der neunzehnhundertachtziger Jahre mit meinen Touren in Deutschland begann, sagte einer der Vertreter des Hanser Verlags zu mir: »Wir bringen auch einen Roman von einer Britin heraus über ein kleines Dorf, wo es allen gut geht und die Menschen zusammen Tee trinken und Crumpets essen.« Pause. »Aber solche Geschichten schreiben Sie nicht, oder?«
Ich glaube, in Anbetracht meines augenblicklichen Zustands sollte ich das vielleicht doch tun.
Im Original erschien der Text am 29. August 2024 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.