Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Ich erlebe gerade ein Gefühl der Kälte, sowohl körperlich als auch psychisch. Ich habe mein ganzes Leben in einer Demokratie verbracht, aber die endete am 20. Januar und wurde durch eine Kleptokratie ersetzt, angeführt von einem boshaften und kriminellen Diktator zu seinem eigenen Vorteil. Er testet täglich und auf aggressive Weise die Grenzen des Gleichgewichts der Macht aus, indem er die Funktion der Regierung aushöhlt und nur loyale Mitarbeiter auf freiwerdende Positionen beruft, ähnlich wie Putin und Xi. Wenn ich in die Zukunft blicke, sehe ich nur diesen Mann, der sie uns gestohlen hat. Jawoll, ich werde meine Tage in den Vereinigten Staaten von Amerika verbringen, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Trump-GmbH. Was für eine Freude! Welch Privileg!
     Jetzt zu der anderen Kälte, der physischen – die ist so viel leichter zu beheben. Alles, was dafür nötig ist, ist Geldausgeben. Und Geduld. Und Gänsehaut.
     Ich rede davon, dass die alte Doppelheizung an Heiligabend ihren Geist aufgegeben hat und seitdem nicht ersetzt worden ist, obwohl ein ganzes Team gerade mit dem Problem beschäftigt ist, und die Wärme sollte wohl schon bald ins Haus zurückkehren. Es besteht zwar nicht die Gefahr, dass die Rohre hier an der Küste Kaliforniens einfrieren, aber morgens haben wir 5 bis 10 Grad Celsius, und der Kamin kann auch nicht so viel ausrichten. Was die Garantie angeht, so bezweifle ich, dass sie nach hundertsechzehn Jahren noch greift, deshalb werde ich wohl nicht darauf bestehen. Tatsache ist, dass ich das Feuer hier im großen alten Kamin schon liebe, aber jetzt ist es zur Notwendigkeit geworden. Inwiefern hat das meine Arbeit beeinflusst? Ich mache beharrlich weiter, trotz der Frostbeulen an meinen Fingern und obwohl ich mich Tag für Tag mehr wie der Sekretär des Geizhalses Scrooge, Bob Cratchit, fühle, der über seiner flackernden Kerze hockt. (Ich habe zwar einen elektrischen Heizlüfter, aber der bringt nicht viel und lässt den Stromzähler ganz schön rotieren.) Inmitten von all dem – Kälte in der Seele, Kälte im Körper – schreibe ich die neuen Kurzgeschichten für die nächste Sammlung und fange an, mir Möglichkeiten für den nächsten Roman auszumalen.
     In der Zwischenzeit kann ich euch bald den neuen Roman, No Way Home, präsentieren. Die bevorstehende Veröffentlichung hat in der Verlagswelt eine Art Flächenbrand ausgelöst, weil Georges Borchardt mit Jo Lendle vom Hanser Verlag einen ganz ungewöhnlichen Vertrag für Europa ausgehandelt hat. Hanser wird seine Übersetzung (von meinem langjährigen Übersetzer, dem großartigen Dirk van Gunsteren) im Herbst dieses Jahres herausbringen, während die amerikanische Originalversion bis zum Frühjahr wartet, wenn auch der Hanser Verlag seine eigene Version in englischer Sprache veröffentlicht. Und ich? Ich lasse mich von meinem Agenten leiten, obwohl dies tatsächlich meine lange Verbindung mit Bloomsbury in England beendet hat. Ich werde gleichzeitig weinen und tanzen.
     Schließlich hat es einige Vorteile, null Wärme im Haus zu haben, das heißt, außer der deutlichen Einsparungen beim Erdgas. Zum einen haben wir sowohl Hund als auch Katze eingeladen, nachts zu uns ins Bett zu kommen, genauso wie einige der Ratten, die in den Wänden hausen, und das macht alles schön gemütlich. Außerdem kommen die artspezifischen Flöhe gut zurecht, und das ist doch etwas, wofür man dankbar sein sollte in dieser kontroversen auf dem Kopf stehenden Welt.


Im Original erschien der Text am 30. Januar 2025 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.