Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Beate Walz

Zuallererst kann ich nur sagen, wie gut es ist, wieder zurück zu sein, rechtzeitig, um Euch allen ein reizendes und phantasievolles Halloween zu wünschen. Was mich betrifft, so habe ich erwogen, mich entweder als Osama oder als George Bush zu verkleiden (vermutlich werde ich mich für eine Doppelmaske entscheiden, Osama auf der einen Seite, George auf der anderen). Eines denkwürdigen Tages (denkwürdig nur für mich persönlich) ging ich verkleidet als Fleckenforelle. Das war natürlich ein – im wahrsten Sinne des Wortes – größeres Modell. Ich hatte eine angeklebte Pappfinne an meinem Rücken, aufgemalte Kiemen und eine Menge Tupfen. Und dann wäre da noch mein altes, bewährtes Kostüm, das einfachste in meinem Repertoire: Ich gehe als ich selbst, aber mit einem fleischfarbenen Puppenarm an meine Stirn geheftet, befestigt mit schwarzem Isolierband. Wenn die Leute fragen: »Als was gehst du?«, dann gebe ich die korrekte Antwort: »Als liederlicher Esser.«
Aber genug davon. Lasst uns auf Einzelheiten eingehen. Zunächst muss gesagt werden, dass die Tour mein Herz gepfählt hat. Obwohl es schöne Momente gab – etwa die New-Yorker-Lesung mit David Bezmozgis, die Miami-Lesung, bei der ein Zuhörer während zwei Drittel von Chicxulub nur schluchzte, die Entdeckung, noch im allerkleinsten Zeitungskiosk eines Flughafens im Nirgendwo die Chronicles von Dylan zwischen Unlesbarem und Unerwähnenswertem stecken zu sehen, das Interview mit dem unvergleichlichen Joe Williams in der aparten Umgebung von St. Louis – alles in allem, Leute, bin ich durch und durch des Reisens müde. Um ehrlich zu sein, wünschte ich mir, gleich am Anfang meiner Karriere den Thomas Pynchon gegeben zu haben. Meine Freunde, glaubt mir, ich habe kein Leben. Ja, ja, ich weiß. Jemand muss das Reisen übernehmen, in trés chic Hotels mit völliger Handlungsfreiheit übernachten, sich von Tausenden verehren lassen, und doch hungere ich nach ein wenig Ruhe.
Und gerade dieses Wochenende fing ich an, etwas Frieden zu bekommen. Letzte Woche, als ich eigentlich damit begonnen haben sollte, wieder durchzuatmen, mussten wir aus dem Haus ausziehen, während es für eine Ausräucherung in Planen gehüllt wurde. Diese Aktion bedeutete ein Mehr an unnötigem Stress für mein Leben, jedoch war es nichts im Vergleich, was uns auferlegt wurde von den Termiten, Ratten, Mäusen, Motten, Flöhen, Zecken, Sandflöhen, Springspinnen und Silberfischen. Nun sind sie kapores. Wenigstens für dieses Mal. Aber die Momente der Ruhe erlaubten mir gerade gestern erst, eine weitere neue Story zu vollenden, auch wenn ich anfange, für einen neuen Roman zu recherchieren. Ich hoffe, einige weitere kurze Stücke zu schreiben, um mich dann für eine lange Weile der Ruhe und des Studierens einzugraben. Die neue Story heißt übrigens Balto und gehört, in absteigender Reihenfolge, zu den Stücken La Conchita, Hände, Die unglückliche Mutter von Aquiles Maldonado und Frage 62. Was gibt es sonst noch? Ich habe kürzlich die polnische Übersetzung von Drop City zugeschickt bekommen, zudem die gebundene Brigitte-Buch-Club-Neuauflage von América (in der deutschen Übersetzung von Werner Richter), und die sich für Januar abzeichnende Bloomsbury-Ausgabe von Zähne und Klauen. Haltet Ausschau nach der Weihnachtsstory Three Quarters of the Way to Hell, welche in der Dezember-Ausgabe des amerikanischen Playboy erscheinen wird. Unterdessen thront die fette, editierte Manuskriptkopie von Talk Talk auf meinem Schreibtisch, noch unbesehen, aber ich werde sie durchgehen und an Viking zurücksenden, rechtzeitig vor all unseren kleinen Verabredungen im Zusammenhang mit einer Veröffentlichung im Juli.
Also, fröhliches Spuken – ich werde vermutlich früh genug von der Bar zurück sein, um vor dem prasselnden Kaminfeuer ein paar Schokoriegel zu knabbern, während die Türglocke nicht schellt, und die wundervollen, kitschigen alten Schwarz-Weiß-Gruselfilme auf TCM laufen – und ja, ich sehe Euch dann alle auf der Lesung am 16. November in Sacramento.
PS PS: Das beigefügte Bild, schauderlich genug, wie ich annehme, sollte selbsterklärend sein. Die 25-Jahre-Jubiläums-Edition von Wassermusik wird im Juli 2006 erscheinen, zusammen mit der Taschenbuchausgabe von Zähne und Klauen und dem oben erwähnten Talk Talk.
Im Original erschien der Text am 31. Oktober 2005 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Beate Walz.
