Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Nun, in der Zeit zwischen diesem Moment und meinem letzten Eintrag wurde die Dürre hier zu einer Megadürre erklärt, wobei die letzten beiden Jahrzehnte die trockensten Bedingungen seit 1.200 Jahren darstellten, jeder Strauch und jeder Baum schreit nach dem Regen, den unsere regenlose Regenzeit nicht brachte, und ich fange an, mich wie Tutanchamun in seinem Grab zu fühlen (ohne den Vorteil, tot zu sein). In der Zwischenzeit verwüstet der böse KGB-Zwerg namens Wladimir Putin mit der begeisterten Zustimmung eines gewissen Ex-Präsidenten von Amerika eine europäische Demokratie mit dem Ziel, sie zu einem Sklavenstaat zu machen. In der heutigen Zeitung war auf der Titelseite ein Bild von toten russischen Soldaten zu sehen, die dort, wo sie gefallen sind, ausgebreitet liegen, bedeckt von einem leichten Schneestaub, Söhne von Müttern, die auf dem Altar der Laune eines Diktators geopfert wurden. Das ist tragisch, aber nichts im Vergleich zu den verheerenden Folgen für die Bürger der Ukraine, die es gewagt haben, ihr Recht auf ihr eigenes Land einzufordern und nicht als Vasallen Putins zu leben. Das Schlimmste steht noch bevor, und soweit ich sehen kann, gibt es wenig Hoffnung. Zehntausende werden sterben. Die Ukraine wird fallen. Putin ist nicht aufzuhalten, denn er hat Atomwaffen, und die Ukraine, die ihre eigenen Atomwaffen aufgab, als der Eiserne Vorhang fiel, hat keine. Ende der Geschichte.
     Was für eine Welt. Wie könnte ein Romanautor sie auch nur ansatzweise begreifen? Allein die Geschichte von Zelensky ist unglaubwürdig: ein Anwalt, der zum Komiker wurde, ein Schauspieler, der im Fernsehen den Ministerpräsidenten seines Landes spielte und es bis zum Ministerpräsidenten brachte, nur um dann von Trump unter Druck gesetzt und jetzt von Putin tödlich bedroht zu werden. Er ist ein Held unserer Zeit. Ich kann nur hoffen, dass er nicht als Märtyrer enden wird.
     Aber hier bin ich, noch unberührt von Omikron, Trump oder Putin, und versuche täglich, dem Sinnlosen auf einem leeren Blatt einen Sinn zu geben. Hier sind meine Neuigkeiten: In der vergangenen Woche konnte ich endlich für ein paar Tage das Haus verlassen, selbst als sich Putins Invasion auf der anderen Seite der Welt abspielte. Meine Frau und ich machten eine Autoreise, um Mitglieder ihrer Familie an zwei Orten zu besuchen, die noch trockener sind als Santa Barbara: Palm Desert und Yuma, Arizona. Es war… erfrischend, nach all der Zeit, in der ich auf mein Haus und meine Umgebung beschränkt war, etwas anderes zu sehen (zumindest redete ich mir das ein – aber, mein Gott, es gibt so viele Menschen auf der Welt, nicht dass ich sie nicht alle begrüßen würde, vor allem diejenigen, die meine Bücher kaufen, aber die Bevölkerung Kaliforniens scheint sich vervierfacht zu haben, und jeder ist ständig überall). Nichtsdestotrotz bin ich geschwommen, gewandert, habe gegessen und getrunken, habe beinahe einen Roadrunner auf Film gebannt und bin einen staubigen Pfad entlang des Mighty Colorado River in der Nähe von Yuma gewandert. Alles gut, oder? Jetzt sitze ich wieder hier und starre auf ein leeres Blatt, der neue Roman – Blue Skies – ist geliefert, und die nächste Geschichte ist nur ein Kondensstreifen in den entferntesten Bereichen der Atmosphäre.
     Die gute Nachricht ist, dass meine COVID-19-Geschichte The Thirteenth Day, die ich ganz zu Anfang des Virusausbruchs geschrieben habe, der zu einer Epidemie und dann zu einer Pandemie wurde, die die ganze Menschheit heimsucht, jetzt im Esquire erschienen ist, und dass eine andere der neuen Geschichten, die in der Sammlung I Walk Between the Raindrops enthalten sein werden, in der aktuellen Ausgabe von The Southern Review veröffentlicht wurde (SCS 750, eine Geschichte über eine diktatorische und reglementierte Gesellschaft, wie sie China seinen Bürgern auferlegt). Ich hoffe, sie gefallen Euch und lenken von der immer düstereren Realität ab, mit der wir alle konfrontiert sind.
     Ciao für jetzt.


Im Original erschien der Text am 01. März 2022 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann. Foto: Sreenshot der Kurzgeschichte auf der Website des Esquire.