Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Das war ein langer Monat. Die Nachrichtenlage wurde jeden Tag schlimmer, unsere eigene Regierung steht uns immer gegensätzlicher gegenüber, und Chaos ist an der Tagesordnung. Ich fühle mich machtlos, ich fühle mich unterdrückt und ich fürchte den kommenden Tag, wenn alles, was wir sagen und tun, zensiert wird. Wo ist die Hoffnung für Amerika, für unsere freien Entscheidungen und unsere Kreativität? Ich kann sie nirgendwo finden.
     All das lässt meine eigene Arbeit klein und unbedeutend erscheinen, und doch mache ich weiter und betrachte die Dinge durch die Brille des Geschichtenerzählers – alles ist eine Geschichte, und was ich machen muss, was ich mein ganzes Leben lang gemacht habe, ist, diese Geschichte zu finden und dann die nächste. Die Neuigkeiten? Ungeachtet der Vorrede hier setze ich meine Recherchen für den nächsten Roman fort, dessen Fäden zum jetzigen Zeitpunkt noch zu vage sind, um sie auch nur ansatzweise benennen zu können, aber hier sitze ich und versuche es. Heute ist übrigens der Geburtstag meines Vaters – in seiner Jugend war er Mitglied einer der ersten antifaschistischen Organisationen, der 7. Panzerdivision der US-Armee, die an der Invasion in der Normandie beteiligt war, und ich glaube einfach nicht, dass er sich hätte vorstellen können, was aus uns in den heutigen Zeiten geworden ist. Noch jemand meiner Heldinnen ist gerade gestern verstorben: Jane Goodall. Ich habe sie nie persönlich kennengelernt, aber ich habe ihre Bücher verschlungen und einmal vor vielen Jahren einen Vortrag von ihr auf einem Forum an der California Institute of Technology gehört, bei dem auch zwei weitere prominente Affenforscherinnen aus jener Zeit teilgenommen haben, Diane Fossey und Biruté Galdikas, und meine Leserinnen und Leser können sich natürlich vorstellen, wie sehr ich mit ihren Ansichten über die Natur übereinstimme. Meine frühe Geschichte Abstammung des Menschen hat ihr einiges zu verdanken, ebenso wie mein Roman von 2021, Sprich mit mir, der sich mit der Ethik von Experimenten an Schimpansen auseinandersetzt.
     Was Neuigkeiten angeht, so hat The New Yorker meine Erzählung The Pool in der Ausgabe vom 22. September veröffentlicht, und der neue Roman, No Way Home, ist in der deutschen Übersetzung von Dirk van Gunsteren bei meinem langjährigen Verlag, Hanser, erschienen. Die Originalversion wird hier im nächsten Frühjahr herauskommen. Ich freue mich auf die Deutschland/Österreich-Tournee zur Vorstellung des Romans, die von Ende November bis Anfang Dezember stattfinden wird. Ich fürchte, es wird trotz des Klimawandels kalt in Berlin, München, Wien, Hamburg, Düsseldorf und Stuttgart sein, deshalb packe ich meine mit Fell gefütterte Unterwäsche und meine Warmhalter für den großen Zeh ein. Bis dahin werde ich mich hier an der kalifornischen Küste in den Alltag versenken und bissige Überlegungen für einen Systemwechsel verfassen. Jetzt erstmal ciao.


Im Original erschien der Text am 02. Oktober 2025 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.