Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Guten Abend. Während ich hier am Computer sitze und darauf warte, dass es dunkel wird und die heutige Mondfinsternis zu sehen ist (wir werden in Kürze alle nackt auf dem Rasen tanzen und den Mondgöttern allerlei Getier opfern, darunter vor allem Moskitos und Schnecken sowohl mit als auch ohne Gehäuse), kann ich nicht umhin, an die Begegnung mit der unberührten Natur in der vergangenen Woche zu denken. Diejenigen unter Euch, die mir hier schon seit geraumer Zeit folgen, werden sich an meine Begegnung(en) mit einem Berglöwen vor zwei Sommern erinnern, als ich hoch in den Bergen die letzten Kapitel von Drop City fertigstellte; diesmal geschah es näher an meinem Zuhause. Und ich weiß wirklich nicht, wie ich es noch deutlicher ausdrücken soll als folgendermaßen: Ich war das Opfer eines unprovozierten Angriffs durch eine wilde Bestie, hier in den Hügeln von Santa Barbara. Doch lasst es mich so sagen: Am letzten Mittwoch ging ich raus in den Garten, nachdem ich bis etwa drei Uhr nachmittags am Schreibtisch gesessen hatte, und schnitt mit energischem Schwung einen Haufen heruntergefallener Äste zurecht, und danach spazierte ich in die nahegelegenen Berge und wanderte ein wenig in einem der Flussbetten entlang. Dann ging es zurück nach Hause, um heiß zu duschen und frische Sachen anzuziehen, danach zu einem Freund, wo wir Cocktails tranken und zu Abend aßen. Beim Essen bemerkte ich ein kleines Stechen in meiner rechten Brustseite. Besagtes Stechen besserte sich während der Margaritas und des guten kühlen Weißweins; als ich dann etwa um zehn nach Hause kam, fühlte es sich an, als ob ich genau an der Stelle angeschossen worden wäre. Ich musste mir wohl einen Muskel gezerrt haben, das passiert mir dauernd. »Oh, Scheiße,« und ab ins Bett. Wachte vor Schmerzen auf. Ignorierte sie. Stand schließlich im Morgengrauen auf, arbeitete bis zwei Uhr, und dann musste ich zu meinem schon lang vereinbarten Termin bei der Hautärztin. Als ich mich umzog, sah ich in den Spiegel und bemerkte, dass sich irgendwann jemand angeschlichen und mir eine Kugel vom Kaliber 44 genau neben meine Achselhöhle verpasst hatte.
     Und jetzt ahnt ihr es schon: jawoll, eine Zecke (genauer: eine Hirschzecke) hatte mich attackiert und ich habe, schätze ich, ziemlich stark darauf reagiert. Aber gut, ich wollte ja sowieso zur Hautärztin, und wie es aussah sollte ich lieber Antibiotika nehmen (es gibt hier gerade Lyme-Borreliose), also hören wir doch ihre Meinung dazu. Mutig führte sie ihre (wie ich vermute) erste Zeckenentfernung am Menschen durch (wie wir alle hatte sie die Biester schon bei ihren Hunden entfernt), und sie zeigte mir ein winziges Etwas in einem Fläschen Alkohol. Und dann kam meine Frau herein, konnte den Wodka nicht finden, und – doch nein. Hier endet die Geschichte. Glücklich, so weit.
     Nun zu den mehr prosaischen Neuigkeiten: Ich bin gerade zurück aus Stockton, wo América das Thema der »Eine-Stadt-ein-Buch«-Kampagne war (die beiden vorangegangenen waren Die Früchte des Zorns und Wer die Nachtigall stört) und habe alle möglichen Leute getroffen, eine Lesung gehalten, Fragen beantwortet und mich insgesamt sehr gut amüsiert. Als nächstes steht die Tournee durch Großbritannien, Irland und die Niederlande auf dem Programm. Am Samstag fliege ich nach London, und weiter unten steht das, was ich über die Auftritte auf der grünen Insel und in Dublin, Amsterdam und Den Haag weiß (eine gute Gelegenheit für diejenigen von Euch, die die deutsche oder die französische Übersetzung von Drop City herbeisehnen, schon mal einen Einblick auf Englisch zu bekommen). Eine weitere Neuigkeit: Die Korrekurfahnen der Anthologie Double Takes sind auf dem Weg von Heinle zu mir und wieder zurück, um im Herbst veröffentlicht zu werden, und Playboy hat die Korrekturfahnen von Jubilation fertig, das wird dann, glaube ich, in der August-Ausgabe erscheinen. Nichts Neues darüber, wann die die nächste Ausgabe von McSweeneys’s mit der dazugehörigen CD herauskommt und mit meiner Geschichte Geblendet, deren Korrekturfahnen ich schon zurückgesendet habe. Bald, nehme ich an. Zeckenlos werde ich an diesen Orten zu Euch kommen:

  • 19. Mai 2003, 19:00 Uhr: University of East Anglia, Norwich, Norfolk.
  • 20. Mai, 19:30: Brighton Festival Pavillon Theatre at Brighton Dome.
  • 22. Mai, 20:30: Boogaloo Club, 312 Archway Road, London N6 (mit Richard Price).
  • 23. Mai, Dublin
  • 25. Mai, Hay on Wye Literary Festival, 13:00 (mit Richard Price).
  • 27. Mai, 20:00, Border Kitchen, Prinses Mariestraat 34, Den Haag.

     Der ganze Rest scheint aus Presse-Interviews und nichtöffentliche Treffen zu bestehen. Was jedoch die öffentlichen Auftritte angeht, so werde ich mein Bestes tun und euch mit einem kleinen Aus- (oder Rück-Blick) von Drop City erleuchten. Lebt wohl. Ich mache mich auf, um im Mondlicht zu tanzen.


Im Original erschien der Text am 15. Mai 2003 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.