Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Gestern habe ich also den Rest des Weihnachts-Eierlikörs getrunken (Lucerne Light, mit dem Verfallsdatum 4. Januar), nachdem ich zuerst zur Probe ausgiebig an ihm geschnüffelt und dann einen ordentlichen Schuss davon in den supergroßen Teepott gegeben hatte, den ich mir jeden Morgen gönne, um mein Gehirn auf Touren zu bringen, bevor ich mich an die Arbeit setze. Was die Feiertage selbst betrifft, an die erinnere ich mich ansonsten nur schwach, und das ist wohl auch gut so, trotzdem kann ich nicht umhin festzustellen, dass es nur noch 329 Tage Einkaufstage bis Weihnachten sind. Die Nachrichten, die immer wiederkehrenden Nachrichten: die Dürre. Hier in den Sierras auf 2.200 Metern Höhe liegen die Temperaturen am Tage bei etwa zehn bis fünfzehn Grad Celsius, und das bisschen Schnee, das letzten Monat gefallen ist, ist so gut wie geschmolzen und hat Pfützen hinterlassen, die nachts wieder zufrieren und trügerische Festigkeit vorgaukeln. In einem normalen Jahr haben wir hier über fünf Meter Schnee, und in einem El-Nino-Jahr ist es doppelt so viel. Dieses Jahr ist kein El-Nino-Jahr, sondern eher ein El-Viejo-Jahr, vertrocknet und zahnlos, und wir haben große, große Probleme. Der See ist verschwunden, der Fluss Tule zu einem Rinnsal geschrumpft, die Hunderte Millionen Kiefern halten kaum noch durch. Vögel sind selten geworden, die Kojoten ausgemergelt. Ungefähr die einzigen Kreaturen, die gedeihen, sind die Borkenkäfer, die hier in einem Winter leben, der zu mild ist um sie umzubringen, wobei die Bäume im Wald zu gestresst sind, um den Saft zu produzieren, der die Käfer normalerweise in Schach hält. Was tue ich dagegen? Ich bringe dem Regengott und seinem Bruder, dem Meister des Schnees, Ziegenopfer dar, verschmiere das Blut besagter Ziegen auf meinem Körper und renne acht Stunden pro Tag nackt durch den Wald, während ich die ganze Zeit aus voller Kehle uralte Regengesänge intoniere.
     Es funktioniert nicht.
     Und deshalb fahre ich morgen in ein noch trockeneres Santa Barbara zurück, wo wir dann spätestens im Hochsommer unten am Butterfly-Strand unserer Kleider gegen die Felsen schlagen und unsere Zähne mit Sand putzen werden. Das ist natürlich ganz unverständlich für Euch Bewohner der feuchteren Gegenden – etwa so, als würde man versuchen, jemandem einen Schmerz zu beschreiben, der ihn nicht verspürt und auch nie verspüren wird. Hab‘ ich schon gesagt, dass ich die Sonne hasse? Dass ich alles andere als ein sonniges Gemüt habe? Dass der glücklichste Sommer meines Lebens sich in den dreieinhalb Monaten im County Cork entfaltete, als die Sonne in der ganzen Zeit genau drei Tage schien? (Nach zwei Wochen andauernden Nieselregens begegnete ich der Frau, die nebenan wohnte, als sie an der Straße ihre feuchte Post aus dem schimmeligen Briefkasten holte, und ich meinte, dass es doch ziemlich nass sei. Sie lachte auf. »Das ist doch gar nichts«, sagte sie. »Warte nur, bis es anfängt zu regnen.« Und tatsächlich, am selben Abend fing es an, und der Regen ließ seitdem nicht nach, auch als ich drei Monate später das Flugzeug bestieg, das mich zurück nach Los Angeles brachte.) Seht ihr? Das macht die Dürre mit einem. Ich fühle mich wie ein ausgehungerter Mann, der von Eclairs, Beignets und Fettpudding träumt.
     Und doch muss das Leben weitergehen, auch wenn es darauf hinausläuft, dass wir uns Burnus und Kefije zulegen, um den Wüstensand von unseren Poren und Kehlen fernzuhalten, und die Dürre ist nur der naheliegendste Grund, weshalb ich mich manana nach Hause aufmache. Der eigentliche Grund, abgesehen davon, dass ich natürlich hinter Frau Boyle aufräumen muss, die es vorzog, vergangene Woche am Meer zu bleiben, ist, dass ich am Dienstag in die Sound Design Studios gehen werde, um zwei Erzählungen von Donald Barthelme für den New Yorker-Podcast aufzunehmen. Die beiden Stories gehören zu meinen Lieblingsgeschichten von Barthelme: The School und Game. Das wird mir viel Spaß machen. Und wenn ich mich recht erinnere, wird Dom Camardella, der Studioboss, Flaschen kostbaren Wassers bereithalten, so dass ich mich daran gütlich tun und damit gurgeln und meinen Gaumen und mein Gebiss damit umspülen kann. Und übrigens, da wir gerade beim Thema The New Yorker sind, habe ich am Montag über das antiquierte, aber gelegentlich immer noch effektive Medium Festnetztelefon erfahren, dass diese ehrwürdige Zeitschrift Wiedererleben veröffentlichen wird, die erste der neuen Erzählungen, die auf meinen fertigen Roman Hart auf Hart folgen. Was diesen Roman betrifft, der seit Ende August fertig in der Schublade liegt, so werde ich bald seine Veröffentlichung ankündigen.
     Zu guter Letzt, für die von Euch, die für das Frühjahr Reisepläne schmieden – insbesondere für Euch Luxemburger – möchte ich sagen, dass ich am 6. März in Flagstaff und am Ende des Monats an der Penn State University auf der Bühne stehen werde, worauf ich im April beim L.A. Times Book Fest und im Mai an einem noch geheimen Ort in Neu-England auftreten werde. Dazu später mehr. Jetzt hab‘ ich jedoch erstmal meine Schreibkünste geübt, um Euch diesen Bericht zu liefern, und mein Hirn arbeitet auf Hochtouren (mit Unterstützung des zuvor erwähnten Teepotts, heute aufgepeppt durch fettfreie Milch statt durch längst abgelaufenen Eierlikör). Und das bedeutet, ich sollte mich besser an die Arbeit machen.
     Ciao für heute.

P.S.Das nebenstehende Bild ist das Cover der neuen gebundenen Ausgabe von Wassermusik in einer neuen Übersetzung von Dirk van Gunsteren, die im März bei Hanser herauskommt.


Im Original erschien der Text am 17. Januar 2014 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.