Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Wie ich Eileenz erst gestern im Forum erzählt habe, bekam ich vor zwei Wochen den Frühling zu sehen, wie er in all seiner Pracht in Österreich, Deutschland und der Schweiz hervor sprießte, und ich freue mich darauf, bald zu erleben, wie die Jahreszeit auf 2.194 Metern Höhe in der kalifornischen Sierra den Bäumen Blätter verleiht und die Fortpflanzungstriebe verschiedener Kreaturen belebt. Wie Fons und Holger pflichtgetreu berichtet haben, war die Tour eine ausverkaufte Freude, aber, wie üblich, habe ich mich hinterher so ausgelaugt gefühlt wie Dracula von der Sonne erwischt. Höhepunkte? In Wien begeisterter Applaus, der fünf Minuten anhielt, plus Schnitzel in einem Café im Freien mit Milo; das Wiedersehen mit Jan Josef Liefers in Hamburg (ach und wie dieser flussartige See – die Alster – geglänzt hat, während die Schwäne keine zehn Meter vom Verkehrsgewühl entfernt ihre Nester bauten) und mit David Eisermann an zwei schönen Orten, darunter Deutschlands selbsternannte grünste Stadt, Freiburg; und, zu guter Letzt, eine Seilbahnfahrt auf einen Berg mit Sicht auf Zürich für ein Essen im Freien in gutaussehender und brillanter Gesellschaft (darunter ein Paar nicht so brillante Pfarrkühe im Gras am Rand).
     Und dann der Rückflug, schlappe zwölfeinhalb schlaflose Stunden in der Luft, die mich gerade rechtzeitig nach L.A. zurückbrachten, um Spencer Boyles Abschluss der USC Cinema School (Prüfung im Spezialfach Drehbuchschreiben) zu verpassen und ihn zum Essen auszuführen, bevor ich ihm ein dickes Bündel Geldscheine aushändigte. Ich hielt bis zehn oder so durch und fiel dann im Figueroa Hotel in einen Jetlag-Schlummer. Von dem ich um sechs Uhr früh durch überlaut verstärkte Sprechchöre geweckt wurde. Am Samstagmorgen. Und wer war das mit den Sprechchören? Streikende, die gegen die Bedingungen in dem Hotel gegenüber protestierten. Warum nur beschallten sie mit ihren Sprechchören eine leere Straße um diese Uhrzeit? Ein Geheimnis, das sich um halb acht lüftete, als ein großer Kran mit angebautem Presslufthammer anfing, den Parkplatz aufzureißen. Na schön. Schlafen war also aussichtslos. Ich beschloss, hinunter zum Frühstück zu gehen. Es war eine einzige Frau im Aufzug, als ich ihn betrat. Ich sagte zu ihr: »Good Morning.« Sie sagte zu mir: »Guten Morgen.« Als ich unten ankam, war alles, was ich hörte, Deutsch (hundert Touristen, der Reisebus parkte vor dem Figueroa wie eine transportierbare Wand). Wunderseltsam. Für einen verwirrten Moment dachte ich, ich wäre immer noch in Europa, aber dann sah ich einen Kerl, der mit einem Schlauch den Poolbereich säuberte, und als ich »Buenos Días« zu ihm sagte, sagte er »Buenos Días« zu mir, und ich wusste, dass ich zu Hause war.
     Die Neuigkeiten von der Veröffentlichungsfront, bereits im Forum angekündigt, lauten: Der New Yorker wird die dritte der neuen Geschichten veröffentlichen, Birnam Wood, irgendwann im Juli, Narrative wird bald einen Auszug aus San Miguel bringen und ich habe soeben die Geschichte, die von der Deutschlandtour unterbrochen wurde, fertiggeschrieben (erfolgreich, zumindest in meinen Augen), eine komische Geschichte mit einem bissigen Unterton und dem Titel The Marlbane Manchester Musser Award. Es ist eine der äußerst wenigen Geschichten, die ich geschrieben habe, in denen ein Schriftsteller vorkommt, aber hey, warum nicht? Ich hoffe immer noch, dass ich noch ein paar Geschichten schreiben werde, um die nächste Sammlung, T.C. Boyle Stories II, zu vervollständigen, bevor ich, wie ich sehnsüchtig hoffe, in den langen, dunklen Brunnen des nächsten Romans abtauche. Und das war’s so in etwa, außer ich habe etwas vergessen (und selbst wenn ich das habe, kann ich mich für den Blogeintrag nächsten Monat für Euch wieder daran erinnern). Tschüss.

PS: Das Foto anbei ist eins (von zweien), die mein Herausgeber für die Umschlaginnenseite von San Miguel ausgesucht hat. Spencer hat es vor ein paar Tagen nebenan aufgenommen, die Haustür stand offen, die Stufen warfen ein seltsames Licht von einer mürrischen Sonne zurück. Neue Bilder. Wir können sie immer brauchen. Gott segne das digitale Zeitalter.


Im Original erschien der Text am 24. Mai 2012 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.