Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

In dieser Zeit der Freude, des Schenkens und der sentimentalen Erinnerungen an Vergangenes, habe ich mich durch das Werk von Kenneth Anderson gelesen, dessen Bücher mich als Kind fasziniert haben. Er war Anglo-Inder, der über seine Großwildabenteuer im Indien der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts geschrieben hat (das heißt also über das Schießen und Töten). Ein Freund hat mir eine Liste der 100 besten Naturbücher geschickt, die von irgendjemandem irgendwo zusammengestellt worden war, und Anderson war darauf zu finden, wenn auch erst ziemlich am Schluss der Liste, und das brachte mich auf die Idee, seine Bücher erneut zu lesen. Das Ergebnis ist, dass ich nun Maneater vollendet habe, die letzte der sechs neuen Kurzgeschichten, die ich seit der Beendigung von Blue Skies in diesem Jahr geschrieben habe (es ist deshalb die letzte, weil die Quelle für dieses Mal versiegt ist und ich nun mit der Recherche für den nächsten Roman begonnen habe). Hier ist die erste Zeile dieser Geschichte:

Was das Ganze sogar noch beunruhigender machte, war, dass er die Hände, die Füße und den Kopf zurückließ, als ob diese Körperteile, anders als alles andere auf seinem Speiseplan, ihn irgendwie verstörten – der Rest, bis hin zu den pulverisierten Knochen, den Organen, den Knorpeln, sogar der gewaltigen Menge an Blut, verschwand einfach.

     Was mich betrifft, so habe ich schon meine Beziehung zu unseren hiesigen Großkatzen in einem Aufsatz mit dem Titel Der Löwe in mir dokumentiert (vier Sichtungen, eine nahe und eine viel zu nahe Begegnung), und ich trauere derzeit gerade um den Promi-Puma von L.A., P22, der vor Kurzem eingeschläfert wurde, nachdem er von einem Auto angefahren worden war und er aufgrund der erlittenen Verletzungen nicht mehr richtig jagen konnte, weswegen er hungrig und aus schierer Verzweiflung einen angeleinten Chihuahua attackiert und so die Mächte des Schicksals auf den Plan gerufen hatte. Jedenfalls war er eine alte Großkatze, partnerlos und allein schon durch die Tatsache isoliert, dass er nicht in der Lage war, lebend über die Autobahnen zu kommen. Sein Vermächtnis ist der zukünftige Wildtierkorridor, der jetzt in der Nähe der Agoura Hills gebaut wird.
     Mittlerweile bin ich schon wieder in einen Kampf auf Leben und Tod mit einem anderen Vertreter der hiesigen Fauna verstrickt: der Borreliose (und Cellulitis) übertragenden Zecke. Ja, wieder einmal musste ich mich einer zweiwöchigen Behandlung mit Doxycyclin unterziehen und dazu noch Clindamycin auf die Haut auftragen, da eine Zeckenlarve sich in einen sehr empfindlichen Bereich meiner Anatomie gebohrt hatte. Als mir dies schon einmal, vor knapp zwei Jahren, passiert war, habe ich die Infektion meiner Figur aus Blue Skies, Cooper Cullen, verpasst, einem Insektenforscher, der mit einer Zeckenforscherin befreundet ist. Die gute Nachricht: Während ich dies schreibe, auf halber Strecke durch meine Antibiotikakur, ist meine Leistengegend nicht mehr so leuchtend rot wie der Mantel des Weihnachtsmannes, sondern hat eine etwas blassere Farbe angenommen, ein rötliches Pink mit vereinzelten weißen Wölkchen dazwischen. Was ich damit sagen will? Das Leben birgt Gefahren, und zwar zu jeder Jahreszeit. Meine Frau hat solche Sorgen natürlich nicht, denn sie verlässt das Haus nie, geschweige denn, dass sie mich auf meinen Wanderungen in den Bergen begleiten würde. (Siehe meine Kurzgeschichte Meine Witwe, die zuerst im New Yorker am Valentinstag vor ein paar Jahren erschienen ist.)
     Na gut. Nachdem wir nun all das hinter uns gebracht haben, möchte ich Euch überaus glückliche und fröhliche Feiertage wünschen, ungeachtet aller Berglöwen, Zecken und des lauernden Virus. Erhebt das Glas. Macht Krach. Wir sind noch am Leben!


Im Original erschien der Text am 25. Dezember 2022 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.