Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Irgendwie, wie durch ein Wunder, habe ich mich auf meiner Reise nach Iowa City und New York Anfang des Monats nicht mit COVID-19 angesteckt. Ich hab‘ die ganze Zeit auf dem Flughafen und im Flieger eine Maske getragen (Frau B. allerdings nicht, was meine Vorsichtsmaßnahmen zunichte gemacht hat, denn was sie kriegt, krieg‘ ich auch und umgekehrt, so intim, wie unsere Beziehung ist). Ich verbrachte vier überaus nostalgische Tage in Iowa City, wo ich an einem Abend für die Reihe »Literarische Legenden« gelesen habe und an einem anderen auf der Bühne mit Andrew Sherburne von FilmScene geplaudert habe, bevor Alan Parkers Verfilmung meines Romans Willkommen in Wellville aus dem Jahr 1994 gezeigt wurde (Anthony Hopkins verlieh der Rolle des Dr. Kellogg seine ganze urkomische Bosheit). In New York besuchte ich Familie und Freunde, traf meinen Agenten und fuhr mit dem Metro-North-Zug in die Stadt und wieder hinaus. Vor allem aber genoss ich den Frühling in vollen Zügen – der sich wegen des kühlen Wetters verspätete. Diejenigen von Euch, die mir auf Twitter folgen, werden Bilder von meinen Wanderungen in den Wäldern gesehen haben, besonders von derjenigen, die mich zu meinem Lieblings-Biberbau sowie zu meinem Lieblingsteich im tiefen Wald des Fahnestock-Parks führte. Jetzt bin ich wieder hier, mitten in der kalifornischen Dürre, und führe mein Leben weiter.
     Übrigens, irgendwohin zu fliegen, egal wann oder aus welchem Grund, ist angesichts der Inkompetenz und Gleichgültigkeit der Fluglinien, ein ständiger Albtraum. Von meinen ungefähr dreißig Flügen (Anschlussflüge mitgerechnet) in den letzten drei Monaten starteten und landeten nur DREI planmäßig. Ich hab‘ das schon einmal gesagt, und ich sage es nochmal: Die Fluggesellschaften besitzen ein Monopol und haben deshalb solche Feinheiten wie Kundenfreundlichkeit nicht nötig: »Wenn dir nicht gefällt, wie wir die Dinge erledigen, dann lauf doch nach New York und guck, wie dir das gefällt.« Ein Beispiel: der Flug von Chicago nach LaGuardia an einem klaren Nachmittag ohne irgendwelche Wetterkapriolen. Ich war erstaunt, dass Frau B. und ich ein Upgrade zur ersten Klasse bekommen hatten und war sehr erfreut, dass wir als erste an Bord gehen und es uns bequem machen konnten, während die Stewardess uns Sekt servierte. Doch bevor ich mein Glas an die Lippen setzen konnte, wurde der Flug gestrichen (sie machten mechanische Probleme geltend, aber das war eine Ausrede, denn in Wahrheit gab es zu wenige Passagiere, die man berücksichtigen musste, und die konnte man alle auf dem nächsten Flug unterbringen). Ich verbrachte die nächsten zwei Stunden damit, von einer Stelle zu anderen zu rennen, bevor wir schließlich auf dem besagten Flug unterkommen konnten (im Viehwaggon, versteht sich). Und hier ist der Haken: Wenn sowas passiert, bist du tatsächlich dafür dankbar, dass du überhaupt im Flugzeug sitzst, in irgendeinem, egal wohin.
     Was hat das mit meinem literarischen Leben zu tun? Alles. (Siehe meine Geschichte Guten Flug über aufsässige Passagiere). Und nehmt zur Kenntnis, dass Blue Skies sich jetzt in den Händen des Lektorats befindet und planmäßig im nächsten Jahr erscheinen wird. Inzwischen sind die Vorabexemplare von I Walk Between the Raindrops eingetroffen, ebenso wie die Bloomsbury-Taschenbuchausgabe von Sprich mit mir. Und ich habe gerade erfahren, dass die neue Geschichte Dog Lab, die die Sammlung abschließt, in der aktuellen Ausgabe von McSweeny’s erschienen ist. (Diese Geschichte hat mir ein befreundeter Arzt erzählt, der im Medizinstudium zu Übungszwecken narkotisierte Hunde operieren musste. Herzzerreißend.)
     Nichtsdestotrotz wünsche ich Euch allen das Beste in dieser verkommenen Welt. Denkt nicht an die Ukraine, an Amokläufe in Schulen, den Aufstieg der extremen Rechten oder das Artensterben – wendet Euer Gesicht einfach der Sonne zu und lebt in diesem herrlichen Spätfrühling in der nördlichen Hemisphäre (oder des Spätherbstes für diejenigen von Euch, die südlich des Äquators leben). Trotz all des Schmerzes und all der Trauer haben wir Bücher, Musik und vor allem Liebe, die uns Halt geben. »All you need is love«, haben die Beatles gesagt, und die lagen nicht falsch. Oder doch?


Im Original erschien der Text am 26. Mai 2022 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.