Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Ich habe seit meiner letzten Mitteilung einige Meilensteine erreicht: Meine zwölfte Geschichtensammlung, I Walk Between the Raindrops, ist herausgekommen, und ich bemühe mich währenddessen auch schon, neue Geschichten zu schreiben; und ich habe Ratte Nummer 300 (gezählt über die letzten fünf Jahre) lebend gefangen und in die nahen Berge gebracht, was die dortigen Kojoten sehr zu schätzen wissen. Ich habe nichts gegen die Ratten – sie waren vor mir in diesem Haus und werden sich noch lange nach mir in seinen Wänden tummeln – aber sie neigen dazu, auf den Kabeln der Autos herumzukauen, was Tausende Dollar an Reparaturkosten zur Folge hat, ganz zu schweigen davon, dass sie in die Frühstücksflocken kacken. Deswegen die Deportation. Ich verwende eine Havahart-Lebendfalle und bestücke sie mit Skippy Superchunk Erdnussbutter. Oh, was haben Ratten für einen Verstand! Man kann eine mit einer Schnappfalle töten, aber die anderen beobachten das und werden besagte Falle in Zukunft meiden; aber mit einer Lebendfalle sehen sie lediglich, wie ihre Schwester, Mutter, ihr Vater, Bruder, Onkel oder Opa völlig unversehrt Erdnussbutter mampft. Und wenn sie oder er am folgenden Abend verschwunden ist, nun, es gibt seltsamere und grausamere Dinge in einem Rattenleben; und falls die Erdnussbutter erneut auftaucht, wie kann die nächste Ratte da widerstehen? (Für weitergehende Lektüre siehe meine Geschichten Dreizehnhundert Ratten und Der Flüchtling.)
     Und nun zu den Geschichten. Den Leuten scheinen sie zu gefallen. Ich hoffe nur, es kommt nicht zu Aufständen in den Buchläden, wenn das Buch ausverkauft ist, schließlich stehen die Feiertage vor der Tür, und die Menschen wollen dringend etwas anderes lesen als deprimierende Nachrichten über die Klimakatastrophe und die Einschüchterungsmethoden der extremen Rechten, womit wir jeden Tag konfrontiert werden. Also: erfreut Euch daran. Inzwischen habe ich vier neue Kurzgeschichten geschrieben, seit ich den neuen Roman, Blue Skies, abgeliefert habe, der im Frühjahr herauskommen wird. Wie ich schon letzten Monat erwähnt habe, wird die erste Geschichte, Princess, in einer der nächsten Ausgaben des New Yorker erscheinen. Genießt sie ebenfalls.
     Darüber hinaus verlaufen meine Tage auf ruhige, erholsame Art, und ich nutze den Strand ein paar Tage die Woche, fast immer ganz für mich allein, allerdings leistet mir Dr. Boyle der Jüngere Gesellschaft, wenn das Krankenhaus ihm für ein paar Minuten frei gibt, was recht selten vorkommt, und er sich von L.A. auf den Weg hierher macht. Frau Boyle? Vergesst es. Sie hasst das Meer, den Strand, die Sonne – und wenn sie mich begleiten wollte, müsste sie vom Sofa aufstehen. Aber wir trinken durchaus Wein zusammen, sitzen im Garten und sehen zu, wie sich abends das Licht verändert, während wir auf den Herbst zusteuern, der »Zeit der Feuchte und der Fruchtbarkeit«, wie Keats es ausdrückte, und vergebens auf Regen warten.
     Und schließlich hat mein älterer Sohn Milo die Website tcboyle.com aktualisiert, damit die Benutzung leichter ist und man den Text auch wirklich ohne Lupe auf dem Handy lesen kann. Milo hat die Website für mich 1999 erstellt, als er noch zur Schule ging. Damals war sie sehr bedeutend – alle, die sich über Literatur informieren und austauschen wollten, haben sich dort versammelt – aber mit dem Aufkommen der sozialen Medien wurde sie weniger wichtig. Leider mussten wir mit der neuen Ausgestaltung das Message Board aufgeben, weil es schwer wurde, es zu kontrollieren, mit den ganzen Pornbots, den Politicobots und den ganz normalen Botbots. Ich blicke wehmütig zurück auf all die Jahre voll von anregenden und lustigen Gesprächen mit den vielen guten Freunden, die ich durch das Forum gewonnen habe: DMAC, Sandye Utley, Robb Kunkel, Eric Eyre, Kaytie, Lynn, Fons, den Toadster und so viele andere. Ich hoffe, sie sind auch auf Twitter mit dabei, was ich mir auch von Euch allen erhoffe, und halten die Gespräche am Laufen.
     Ciao fürs Erste.


Im Original erschien der Text am 28. September 2022 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.