Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Ich stehe früh auf. Das war nicht immer so – in einer Phase meines Lebens bedeutete früh gegen Mittag und ich habe nachts, in den frühen Morgenstunden, geschrieben, aber seit vielen Jahren halte ich mich an einen regelmäßigen Zeitplan, der vorsieht, dass ich um halb zwölf ins Bett gehe und um sechs Uhr morgens aufstehe. In meiner früheren Inkarnation hatte ich zwar die stillen nächtlichen Stunden zur Verfügung, ich stellte jedoch fest, dass ich nicht so viel schaffte, weil ich einigermaßen erschöpft war, denn ich hatte ja schon einen ganzen Tag hinter mir. Als ich meinen ersten Roman, Wassermusik, anfing, ging ich zu den Vormittagsstunden über und wünsche mir auch nicht den vorherigen Zustand zurück. Ich erwähne das, weil ich heute Morgen schon vor dem Sonnenaufgang am Strand war, und die herrliche rosafarbene Morgendämmerung breitete sich über den Wellen aus (schaut Euch das beigefügte Foto an). Ich arbeite sieben Tage die Woche, denn mein Boss ist ein sklaventreibender Mistkerl (der außerdem zufällig der netteste Typ ist, den ich kenne). Zur Zeit bin ich zur Hälfte mit dem nächsten Roman fertig und werde Euch informieren, wenn er fertig ist und ich mich wieder Kurzgeschichten zuwenden kann.
     Apropos Kurzgeschichten – von den neuen, die ich nach der Abgabe von Blue Skies und vor dem neuen Roman geschrieben habe, sind zwei im The New Yorker erschienen (Princess und The End Is Only A Beginning), eine in Esquire (Sanctuary) und eine weitere (The Maneater) wird demnächst in Narrative veröffentlicht. Letztere ist eine Hommage an und eine Weiterentwicklung von Kenneth Andersons Jagdgeschichten aus seinen Jahren in Indien zu Beginn des letzten Jahrhunderts, Geschichten, die ich als Kind geliebt und die ich kürzlich wiederentdeckt habe, als mir jemand eine Liste der hundert besten Umweltbücher schickte, auf der Anderson auch zu finden war, da er sich nach seiner Zeit als Schlächter von Wildtieren als Anwalt für den Schutz von Wildtieren betätigte. Hier ist die erste Zeile der Geschichte:

»Was es noch beuruhigender machte, war, dass er Hände, Füße und Kopf übrigließ, als wenn diese Körperteile, anders als alles andere auf seinem Speiseplan, ihn irgendwie erschreckten…«

     In der Tat. Mich erschrecken sie auch.
     Es ist Euch vielleicht aufgefallen, dass ich Euch keine Zusammenfassung des Romans, den ich gerade schreibe, geliefert habe, und das liegt daran, dass ich im Moment ein wenig davor zurückscheue. Doch bleibt dran für ein Update, wenn die Monate vorübergehen und die Geschichte sich unter meinen tanzenden Fingerspitzen verfestigt. Ein Titel, sagt Ihr? Ihr wollt einen Titel? Okay: Der Arbeitstitel lautet No Direction Home. Ihr wollt ein Thema? Im Großen und Ganzen dasselbe wie bei allen meinen Büchern: Das Leben, gesehen durch die Augen eines großen Menschenaffen auf dem Planeten Erde.
     Ciao erstmal.


Im Original erschien der Text am 31. Januar 2024 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.