Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Viele von Euch wissen vielleicht, dass ich den größten Teil des letzten Monats oben in den Sierras war und mal Filmleute, mal bedeutende Luxemburger, mal eine ausgehungerte Horde Kolibris (siehe auch den gefilmten Beweis auf Twitter), mal einen kleinen Bären und mal eine Armee von Zimmermannsameisen unterhalten habe. Jeden Tag nach der Arbeit war ich draußen im Wald und kroch in meinen Lieblings-Bachbetten herum oder schwamm in unserem einzigen Teich. Jeder Moment war so entspannt wie der Tod, mit dem deutlichen Vorteil, dass ich nicht auf die Ausmaße eines Grabes beschränkt war. Natürlich musste ich dann in Begleitung der besagten Filmleute (Adrian Stangell von Nordend Films, seines Kameramannes Bert und des Toningenieurs Johannes) dieser atemberaubend entspannten und trotzdem belebenden Idylle den Rücken kehren, um nach Phoenix zu fliegen (42°C) und Are we Not Men? vor einem vor Hitze umkommenden, aber dankbaren Publikum voller Lehrer vorzutragen, die ja die besten Menschen sind. Dann folgten ein paar Tage hier in Santa Barbara, bevor es zurück in die Berge ging.
     Ich hatte Zeit zu lesen und zu relaxen und ich verspürte die ersten Regungen des nächsten Romans, während ich mit den neuen Kurzgeschichten vorankam; die erste erschien in der Ausgabe vom 30. Juli des New Yorker (I Walk Between The Raindrops). Während ich dies schreibe, warten vier andere Erzählungen auf die Veröffentlichung in Zeitschriften, genauso wie zwei Auszüge aus Das Licht. Bleibt dran – hier und auf Twitter – ich werde Euch auf jeden Fall informieren, wann und wo sie erscheinen. Was den halluzinatorischen wilden Ritt von einem Roman angeht, so lasst mich sagen, dass ich letzte Woche, in der Ruhe meiner Bergeinsamkeit, die Korrekturfahnen ein letztes Mal durchgegangen bin und sie meinem Verleger zurückgesandt habe, so dass wir in Kürze die Probeexemplare erwarten können. Geplant ist, dass das Buch im April herauskommen wird. Wir haben noch nicht entschieden, auf welcher Seite der süße kleine Löschpapier-Streifen mit Acid beigefügt werden soll, aber keine Angst: es wird ein Pfeil zu sehen sein mit der Aufforderung: »Hier lecken.«
     Und jetzt zu dem jungen Schwarzbär: Frau B. und ich kehrten gerade glücklich von einem Ausflug nach Kernville und dem mächtigen Kern River zurück, die sich windende Bergstraße war einsam und verlassen, die tiefe Schwärze des intergalaktischen Raums reichte herab bis zu den Baumwipfeln, als die Autoscheinwerfer seine eiligen Umrisse ausmachten. Die Mutter? Sie war nirgends zu sehen, aber ich wette, sie verfluchte ihren tollpatschigen Nachwuchs, dessen Reaktionen durchaus ein bisschen schneller sein konnten. Es ist aber nichts passiert. Das Kleine, offensichtlich ein Frühlingsbär, tappte über die Straße und kletterte auf der anderen Straßenseite an einer Kiefer hoch. Ein sehr erfreulicher Augenblick für mich und Frau B., wenn nicht auch für das Junge und seine Mutter. Eine Sekunde hier, eine Sekunde da, und alles hätte sehr viel schlimmer kommen können.
     Auf alle Fälle, lasst uns den Bären alles Gute wünschen, während ihr Lebensraum immer wärmer wird und die Trockenheit (und sein übler Verbündeter, der Borkenkäfer) die natürliche Umwelt dezimiert. Es ist so traurig, viele Tausend tote Bäume zu sehen – und, schlimmer, die Stümpfe der Bäume zu betrachten, die ich während all dieser Jahre lieben gelernt habe und von denen ich abhängig geworden bin. Der Wandel ist im Gange und für die Berge hat das schlimme Folgen. Weiter in diesem Tempo, und die Sierras werden in fünfzig Jahren aussehen wie Saudi-Arabien. Aber, wartet mal, wer hat das alles kommen gesehen, damals im Jahr 2000, in einem Buch, in dem Stürme vorkamen und Dürren und eine wohlgenährte Hyäne?


Im Original erschien der Text am 06. August 2018 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann. Foto: T.C. Boyle.