Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Herbst, die Zeit des Rauchs und wütenden Feuers, von Dürre und rekordverdächtigen Temperaturen. Wenn der Wind bläst, erzittern wir. Diesmal brannten die Feuer südlich und nördlich von uns hier in Santa Barbara, aber der Herbst ist und bleibt die Jahreszeit des Terrors für uns Kalifornier. Es sieht nicht so aus, als würde es besser werden. Jemals. Der furchtbare neue Bericht über den Klimawandel sollte jeden in Angst und Schrecken versetzen außer den großen Ölfirmen und den Oberleugner. Bill McKibbens Einschätzung in der Ausgabe des New Yorker vom 26. November malt es in den schwärzesten Farben. »Verkehrsrowdy«, los geht’s.
     In der Zwischenzeit fiel tatsächlich Regen, Mittwoch Nacht, und das half eine Menge, es reinigte die Luft von Feinstaub-Partikeln und brachte alles zum Glänzen, auch als die Büsche und Bäume und Blumen in einer wahren Orgie der Dankbarkeit erblühten. Und ich? Ich stand da auf dem vormaligen Rasen (der vor drei Jahren zu Holzspänen wurde), und reckte den offenen Mund dem Himmel entgegen. Jetzt im Moment, während ich aus dem Fenster schaue, scheint die Sonne ungehindert und wiegen sich die Bäume im Wind, auch als ein Exemplar der Spinnenart, die ich Nasenbaumler nenne (wissenschaftlicher Name: Nasum baumlerius Boylerei) sich an einer umherirrenden saftigen Fliege labt. Kurz gesagt, alles ist so schön wie es nur sein kann, unter den gegebenen Umständen.
     Was meine laufende Arbeit angeht, die zu einem Großteil aus Lesen und Notizenmachen besteht: Sie hat meine Augen dermaßen beansprucht, dass ich zum ersten Mal in meinem Leben eine Lesebrille brauchte (fragt mich nicht nach meinem Gehirn, meinem Herzen, meiner Leber, nach der goldbewehrten Festung meiner Zähne – auch hier überall Herbst). Jedenfalls hoffe ich den nächsten Roman irgendwann im Winter anzufangen. In der Zwischenzeit leistet mir meine Forschung Gesellschaft und die Aussicht auf das Erscheinen neuer Erzählungen in verschiedenen Zeitschriften (einschließlich einer weiteren im New Yorker, Asleep At The Wheel, mein Blick auf unsere Zukunft mit selbstfahrenden Autos) und des neuen Romans Das Licht, erscheint am 28. Januar. Und, wie viele von Euch von meinen Twitter-Nachrichten wissen, bin ich gewandert und Kajak gefahren und habe mich in der Natur vergnügt, auch wenn ich mithelfe, die Last der Ernte von den hiesigen Weinkellereien zu nehmen, indem ich sicherstelle, dass es zu keiner Überproduktion kommt.
     Ich verabschiede mich mit einer Strophe aus John Keats‘ An die Herbstzeit: (To Autumn; Deutsch von Gisela Etzel):

Wo ist, ach wo, des Frühlings Finkenschlag?
O still! Musik – auch dir ist sie verliehen –
Wenn wolkenbunt verblüht der sanfte Tag
Und Rosenschatten über Stoppeln ziehen:
Dann klagt in Uferweiden das Gewimmel
Der winzigen Mücken – lebt der Wind empor,
Hebt sich der Schleier, stirbt er, sinkt der Flor –
Erwachsne Lämmer blöken laut am Bach,
Und Grillen zirpen; nun entzückt das Ohr,
Rotbrüstchens Flötensang vom Laubendach,
Und Schwalben sammeln zwitschernd sich im Himmel.

PS: Das beigefügte Foto, aus dem Katalog des Hanser Verlags, wurde letztes Jahr auf einem Fototermin in München aufgenommen. Am Ende der Aufnahmen fragte ich die Fotographin, ob ich ihre (künstliche) Pelzjacke anprobieren dürfte. Sie sagte: »Klar.«


Im Original erschien der Text am 25. November 2018 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann. Foto: T.C. Boyle.