Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Leider ist die Regenzeit vorbei, aber der Frühling ist da. In den letzten zwei Wochen hatten wir hauptsächlich schönes Wetter, abgesehen davon, dass sich der Morgennebel vom Meer manchmal etwas länger hielt, und jetzt ist es gerade sonnig und um die 20 Grad. Wie immer begann mein Frühling nicht mit Osterblumen oder der Rückkehr der Zugvögel oder so etwas, sondern damit, dass diese kleinen, liebenswerten, jugendlichen Stubenfliegen wiederkamen, frisch ausgebrütet aus den Maden, die in den toten Ratten in der Wand und im Keller hausen. Sie sind so niedlich, diese Fliegen, wie sie aus den Wänden krabbeln und sich an den Fenstern versammeln, bis ihre mit Schleim überzogenen Flügel trocken genug sind, sodass sie damit fliegen können. Und der Geruch von verfaulendem Rattenfleisch ist auch sehr aromatisch. Frühling, ja genau.
     Etwas positiver betrachtet bin ich ziemlich froschvoll (lest Hopes Rise, wenn Ihr eine Figur kennenlernen wollt, die wirklich reich an Amphibien ist). Ein Freund (ein junger Kerl ungefähr in meinem Alter, der seine volle Haarpracht lang wachsen lässt) und ich haben uns in letzter Zeit in einer Bar zu Besprechungen getroffen, abseits und im Stillen, sodass die nicht Eingeweihten denken könnten, wir heckten eine Art Drogen-Deal aus. Dabei haben wir nichts dergleichen getan: Stattdessen handelte es sich um einen Froschhandel. Dieser Freund hat erst vor drei Nächten ein paar von unseren sehr lautstarken und winzigen Baumfröschen gefangen und in meinen Teich gesetzt, in dem sie, sobald die Sonne untergeht, heiser vor Leben werden. Eidechsen, die still sind und weghuschen, sind etwas ganz anderes. Vorletzten Winter, als ich das Haus im Sequoia Nationalpark eröffnete, habe ich eine Zauneidechse über den Flur krabbeln sehen. Sie hat anscheinend im Feuerholz überwintert, und als ich den Holzofen anwarf und das Haus anfing, warm zu werden, kam sie heraus, etwas schwach auf den Beinen, weil sie dachte, es wäre Frühling, obwohl es mitten im Dezember war. Ich habe sie nach Hause nach Santa Barbara gebracht (nachdem ich mich schlau gemacht hatte, dass ihre Art im ganzen Staat weit verbreitet ist, damit ich keine ökologische Katastrophe heraufbeschwöre), wo sie jetzt anscheinend eine ganze neue Generation an Eidechsen hervorgebracht hat. Ich nehme an, sie war schwanger, als sie im Winterschlaf war. Entweder das, oder sie hat vor Ort einen Liebhaber gefunden.
     So stehen die Dinge hier also, wenigstens im Hinblick auf die Natur, oder das, was von ihr übrig ist. Was neue Veröffentlichungen betrifft: Wer sich dafür interessiert, kann sich auf die kommende Ausgabe von McSweeney’s (#34) freuen, mit einem Teil aus Wenn das Schlachten vorbei ist, mit dem Titel The Wreck of Beverly B., und auf das Atlantic Magazin, mit einer neuen Geschichte namens The Silence. Ich habe auch erfahren, dass Orion einen weiteren Teil des Romans abdrucken wird, genannt Scorpion Ranch, während Harper’s, das gerade erst My Pain is Worse than Your Pain in der Januar-Ausgabe abgedruckt hat, nun gegen Ende des Jahres auch die vierte von den neuen Geschichten veröffentlichen wird, What Separates Us From the Animals. Was die Hörbücher angeht, so ist die Blackstone Version von Wild Child, gelesen vom Autor, erschienen, und hat eine tolle Rezension im AudioFile Magazin bekommen, in dem mein Akzent als »westlich« beschrieben wird. Das ist sehr interessant, in der Tat, besonders wenn ich den Mund aufmache und »dog« oder »coffee« sage. (Ich spiele außerdem mit dem Gedanken, My Pain is Worse Than Your Pain bei meinem alljährlichen Auftritt auf der Los Angeles Buchmesse zu lesen, am Sonntag, 25. April, um 3 Uhr nachmittags, und für diese Geschichte braucht man einen etwas ländlichen Akzent, zu dem ich leider nicht in der Lage bin, fürchte ich.
     Aber zurück zur Natur: Schießt der Saft, wo so viele von Euch leben, die diese Seite besuchen? Ich erinnere mich daran, dass ich als Jugendlicher im College aus den Eimern getrunken habe, die an den Ahornbäumen im Staat New York hingen. Ich habe das mehr als einmal gemacht. Spät in der Nacht. Als ich von Bar zu Bar zog. Der Saft schmeckt wie sehr kaltes, leicht süßliches Wasser, wunderbar erfrischend, aber er hatte die erstaunliche Nebenwirkung, dass ich zu meiner jetzigen Größe in die Höhe schoss. Ich war nur fünf Fuß, als ich den ersten solchen kühlen Eimer mit den Lippen berührte, und am nächsten Tag war meine Hose mir schon zu kurz. Verdammt, hätte ich nur ein bisschen mehr getrunken, hätte ich vielleicht ein Basketball-Stipendium bekommen.
     Jedenfalls wünsche ich Euch auf der nördlichen Halbkugel einen schönen blühenden und warmen Frühling, ganz zu schweigen von den Insekten. Bleibt gesund. Atmet tief. Und grabt Eure kurzen Hosen und Badeanzüge aus.


Im Original erschien der Text am 27. März 2010 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.