Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
Irgendwo da draußen in der Welt und auch innerhalb unseres Körpers lauert eine Staphylokokken-Art, die mich über drei Wochen lang ziemlich elend fühlen ließ. Ich hab das Ganze kommen sehen, als ich unten in Temecula beim Vorbereitungstreffen für meine Lesung am Mount San Jacinto College war, und dann hat es mich mit voller Kraft erwischt, gerade rechtzeitig um an Bord des großen Vogels für den Flug nach New York zu gehen, um dann bei den Feierlichkeiten für Robert Coover in Providence teilzunehmen. Der Bazillus schüttelte die ersten beiden Antibiotika ab, das dritte brachte ihn dann schließlich unter Kontrolle (nachdem er an meinen Kräften gezehrt und mich ausgelaugt zurückgelassen hatte – und, noch schlimmer, unfähig, zur Feier des Tages mein Glas mit dem Saft vergorener Trauben beim Cooverfest an der Brown University zu erheben). Nichtsdestotrotz war es mir eine Ehre, Bob Coover zu ehren, meinen außergewöhnlichen und dauerhaften literarischen Helden, und alte Freunde wie Bill Kennedy wiederzusehen, und auch neue wie Don DeLillo, Paul Auster und Rick Moody. Was Bob betrifft: Als ich ein durch Drogen benebelter, keine spezifischen moralischen Werte mehr akzeptierender junger Mann in New York war (siehe auch das Vorwort zu T.C. Boyle Stories II), hatte ich die verschwommene Idee, Kurzgeschichten zu schreiben, so wie ich es im Jahr davor auf dem College gemacht hatte, aber ich habe nicht viel zustande gebracht, auf Grund der Notwendigkeit das Leben an sich zu meistern, und auch weil ich mit meinem Kopf gegen jede Wand rennen musste, an die ich kam (und in jenen Tagen gab es eine Menge Wände, die um eine solche Behandlung geradezu gebettelt haben). Damals geschah es, dass ich Bobs erstes Buch mit Erzählungen entdeckte, Pricksongs and Descants, (auf Deutsch: Schräge Töne; Anm. des Übersetzers), und es fesselte mich mit seiner Schönheit, Frevelhaftigkeit und mit seiner schieren sprachlichen Brillianz. Das gab mir den Tritt in den Hintern, den ich so dringend brauchte, und mit der Hilfe von Cortázar, Grass, Kafka, Calvino, Beckett, Ionesco, García Márquez, Barthelme und anderen begann ich die Geschichten zu schreiben, aus denen dann schließlich mein erstes Buch mit Kurzgeschichten erwachsen sollte, Tod durch Ertrinken.
Während ich an der Ostküste weilte, erfreute ich mich an dem ersten Erwachen des Frühlings, erfreute ich mich am kalten Regen und pilgerte sogar zu meinen absoluten Lieblingsgewässern im Fahnestock Park (dem hab ich kürzlich auf Twitter ein Denkmal gesetzt). Ich hab mich zweimal mit meinem Agenten getroffen, mit Freunden gespeist, schon mal ein bisschen an der Idee zur nächsten Kurzgeschichte geschnuppert, die Krankheit bekämpft und fühlte mich schon fast wiederhergestellt, als ich an Bord des Fliegers zurück nach Kalifornien ging. Was mich hier im Land des immerwährenden Frühlings (und des Schlamms, des Feuers und des Todes) erwartete, war die sehr willkommene Neuigkeit, dass die Erzählung, die ich gerade vor meiner Abreise vollendet hatte, im New Yorker veröffentlicht werden wird, höchstwahrscheinlich im Juni. Oder so. Dies ist die zweite von den neuen neuen, I Walk Between the Raindrops. Darüber hinaus gibt es die Nachricht, dass Ecco den neuen Roman, Das Licht, im April nächsten Jahres veröffentlichen wird, während der Hanser Verlag es in der Übersetzung im Januar 2019 herausbringen wird.
Und die sehr gute Neuigkeit: Dirk van Gunsteren, mein Übersetzer, ist gerade mit dem Übersetzerpreis der Landeshauptstadt München ausgezeichnet worden. Glückwunsch, Dirk!
Was kommt als nächstes? Ich habe nicht die leiseste Idee. Aber ich hoffe, ich kann ein paar Kurzgeschichten erjagen, bevor ich mich, später in diesem Jahr, dem neuen Roman zuwende. Worum wird’s da gehen? Und wieder hab ich nicht die leiseste Idee – aber besteht darin nicht die Schönheit, erdachte Geschichten zu schreiben?
In der Zwischenzeit, gerade in dieser Minute, hat mein alter Freund Party Shuffle (ein Modus der Auswahl aus einer Liste von Musikstücken; Anm. d. Übers.) einen Blues von ZZ Top gespielt, den ich noch nie gehört habe. Er heißt Mushmouth Shoutin‘ (svw. »Schreien mit Brei im Mund«; Anm. d. Übers.), und er beschreibt ziemlich genau meinen Geisteszustand im Moment.
P.S. Das nebenstehende Foto wurde während des ausgedehnten Sonnenuntergangs in 11000 m Höhe geschossen, am Dienstagabend, nicht lange bevor die Räder des großen Vogels den Boden vom geliebten alten Santa Barbara berührten. Genießt es. Und ich frage Euch: Sind wir nicht Götter?
Im Original erschien der Text am 27. April 2018 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann. Foto: T.C. Boyle.