Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Also, ich war seit dem Eintrag vom letzten Monat ein kleines bisschen draußen unterwegs. Ich habe wirkliches Essen auf einem Teller in ein paar wirklichen Restaurants gesehen, ebenso Wein, der von jemand anderem als mir selbst eingeschenkt worden war. Und Bundesregierung und Bundesstaaten lockern die Maskenpflicht für diejenigen, die vollständig geimpft sind und sich im Freien vergnügen. Also alles gut. Aber trotzdem: Ich hab den Post-Befreiungs-Blues. Es reicht irgendwie nicht, nicht einmal annähernd, nicht nach einem ganzen Jahr voller Vorfreude. Ich brauche mehr, etwas Größeres, mich stärker begeisterndes und aufregenderes als das normale Leben, das ich sieben Tage die Woche führe. Ich muss ausbrechen. Ein paar mal mit dem Space Shuttle um die Erde fliegen, ein kleines verwahrlostes Land mit Waffengewalt einnehmen, hunderttausend Bäume pflanzen, mit einem U-Boot in die Tiefen des Marianengrabens tauchen. Versteht Ihr, was ich sagen will? Und denkt jetzt bloß nicht an Sex mit total Fremden – soweit würde ich nicht gehen.
     Wird die Pandemie bleibende Schäden an unserer Psyche hinterlassen? Allerdings. Für den Herbst sind Auftritte geplant – das bedeutet Flugzeuge! – aber so wie ich mich im Augenblick fühle, kann ich mir gar nicht vorstellen, in dieses Leben zurückzukehren. Doch das werde ich tun. Ich muss. Was ist denn wirklich so schlimm an anderen Leuten? Es ist doch toll, sich unter sie zu mischen, seinen Rollkoffer durch endlose Gänge zu ziehen und sich dröhnend in die dünne Luft auf zehntausend Meter zu erheben! Scheiße. Ich weiß nicht. Ich komme mir wie auf einem Fahrrad vor, ich strampele wie verrückt und komme doch nicht voran. Ich will Ruhe und Frieden. Ich will Action. Ich weiß nicht, was ich will. (Ungefähr jetzt seh‘ ich viele von Euch vor mir, wie Ihr nickt und sagt: »Willkommen im Club.«)
     Okay, genug davon. Die gute Nachricht: Endlich haben die von Euch, die lieber Englisch lesen als Deutsch oder Niederländisch, die Möglichkeit, in meinen neuen Roman einzutauchen, dessen Übersetzungen vor dem Original erschienen sind. Bloomsbury wird Talk To Me im Mai im Vereinigten Königreich veröffentlichen, und Ecco hier im September. Ich habe Vorab-Rezensionsexemplare der amerikanischen Ausgabe erhalten und fühle mich erleichtert – jetzt kann ich wenigstens ein Exemplar in der Hand halten und in den hundertzwanzigtausend Zoom-Konferenzen, die ich in letzter Zeit absolviere, daraus vorlesen. Großartig. Wunderbar. Halleluja. Ich würde gern sagen: »Laissez les bon temps rouler«, aber ich kann das nicht ganz glauben.
     Vergebt mir. Ich glaub‘, ich geh‘ lieber wieder an die Arbeit.


Im Original erschien der Text am 30. April 2021 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.