Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Es regnet immer noch. Zum Glück. Nach drei Jahren ohne Wasser, mitten in der schlimmsten Dürre seit 1200 Jahren ist diese Regenzeit ein wahrer Segen für uns (zumindest für diejenigen, die nicht überflutet worden sind und denen ich mein Mitgefühl ausspreche). Unser Stausee, Lake Cachuma, ist derzeit gut gefüllt, und der Santa Ynez River braust und tost mal wieder. Die Frösche sind begeistert. Wenn Ihr dies auf tcboyle.com/tcboyle.de lest, könnt Ihr auch das stimmungsvolle Wetterbild sehen, das ich gestern abend während des ständigen Wolkenbruchs aufgenommen habe. Das Ganze passierte, als ich die Runde durch meine Lieblingsbars in der Stadt machte, um das letzte Unwetter zu feiern, und mir allein einen Film ansah (meine Frau befindet sich gerade in London und besucht ihren Bruder, und ich fühle mich total allein gelassen, weil ich niemanden habe, hinter der ich aufräumen kann). P.S. Ihr könnt mir auch auf Twitter folgen, wo ich ungefähr ein Dutzend Bilder pro Tag poste, die meine Aktivitäten auf verwirrte, skurrile und lebensfrohe Art dokumentieren. Das macht mir viel Spaß. Schaut mal rein.
     Zu den Neuigkeiten: Der Tag der Veröffentlichung von Blue Skies rückt hierzulande und im Ausland näher und näher, und das bedeutet eine Menge Interviews, sowohl persönlich als auch via Zoom und E-Mail. Macht das Spaß? Für viele Autoren mag es eine Last sein, doch für mich ist es das reine Vergnügen. Nachdem der Roman und seine Figuren mich mit all ihren Problemen und Mühen verfolgt haben – und das waren viele Probleme, das könnt ihr mir glauben – finde ich es nun aufregend, darüber zu reden, so wie man etwa über eine neue Liebe redet. Apropos Probleme: Unter den vielen unerwarteten Szenen in dem Roman ist eines meiner Lieblinge, als unsere Heldin Cat Cooper, sechsundzwanzig Jahre alt und angeheitert, auf dem Rückweg von der Bar zu ihrem Strandhaus in Florida auf einer überschwemmten Straße entlanggeht und bemerkt, dass eine andere Lebensform neben ihr her wackelt: ein Alligator. Eigentlich liebt sie Reptilien – von der ophidischen Sorte – doch dieses große wilde Etwas ist ein bisschen zu viel für sie, als sie im knietiefen Wasser versucht, zu den Stufen ihres Hauses zu gelangen. Können Alligatoren Treppen steigen? Ich kann das bejahen, ich habe es nämlich herausgefunden, als ich in den Okefenokee-Sümpfen für meinen Roman Der Samurai von Savannah recherchiert habe. Wie reagiert Cat darauf? Ihr werdet es bald erfahren.
     Inzwischen, in diesem Moment, während meine Finger über die Tastatur fliegen, schaue ich von meinem Schreibtisch hinauf in den wolkenverhangenen Himmel über den schneebedeckten Bergen und hoffe, dass wir wenigstens noch ein paar Tropfen von dem, was manche Hydrologen »Gotteswasser« nennen, frei Haus geliefert bekommen, ohne dass man dafür Dämme bräuchte oder Kanäle oder Wasserwerke. Lasst es regnen.


Im Original erschien der Text am 31. März 2023 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.