Von T. Coraghessan Boyle
Deutsch von Ulrich Tepelmann
»Wirst du zuhause sein?«
»Ja, ich bin zu Hause.«
»Den ganzen Tag?«
»Den ganzen Tag, jeden Tag.«
Genau. Wie dumm wir doch waren, dass wir gedacht haben, die Pandemie wäre vorbei und wir könnten zurück in die Gemeinschaft und uns vergnügen. Konzerte, Kneipen, Restaurants – Flugzeuge! – sind schon wieder bloße Erinnerungen. Delta regiert. Jeder Tag bringt dasselbe. (Ich beklag‘ mich nicht; was würde der durchschnittliche Afghane dafür geben, genau das sagen zu können), und ich mache immer weiter in dieser Gleichförmigkeit, beobachte dabei die Natur, und ein kleines bisschen Glück steigt in meinem Inneren auf – bis es nicht mehr aufsteigt und die Depression anfängt. Meine Familienmitglieder sind alle hier, so wie die ganze Zeit seit Beginn der Pandemie, seit damals, in so unerreichbar weiten Zeiten, und das ist gut so und belebt mich immer wieder aufs Neue. Dazu kommt: Ich habe die Berge, die meine kleine Stadt überragen, und das Meer, das an ihren Küsten schäumt. Ich wandere, ich fahre Kajak, ich schwimme. Und ich schreibe.
Was ich sagen will, ist, dass alle Live-Auftritte zur Veröffentlichung meines neunundzwanzigsten Buches im September, Sprich mit mir, abgesagt worden sind. Ich werde zoomen, genauso wie all die langen, langen Monate zuvor. Wegen der Daten und Zeiten: Bleibt dran, hier und auf Twitter. Ganz besonders hatte ich mich darauf gefreut, im Oktober für eine Lesung nach Iowa City ins Englert Theater zurückzukehren (Blätter, die wie Flammen leuchten, der kalte Präriewind, der meine Knochen kaputt macht, alte Freunde, dunkle Kneipen), doch das wurde auf das Frühjahr verschoben (knospende Blätter, der kalte Präriewind, der meine Knochen kaputt macht, alte Freunde, nicht ganz so dunkle Kneipen). Ach ja, wie ich schon das letzte Mal hier gesagt habe, unser Dank geht an die Impfgegner, an die Spinner verschiedenster Ausprägung für die fortlaufenden Todeszahlen und das Herunterfahren der Gesellschaft, die wir bis dahin gekannt hatten.
Wo es nicht so sehr viele gute Nachrichten gibt, kann ich Euch doch wenigstens dies hier anbieten: Drei der verbleibenden Erzählungen für die im nächsten Jahr erscheinende Sammlung von dreizehn neuen Geschichten (I Walk Between the Raindrops, benannt nach der Geschichte im New Yorker) haben ein Zuhause gefunden: The Hyena in Zoetrope, SCS 750 in The Southern Review, und, wie ich schon mal erwähnt habe, meine COVID-Geschichte The Thirteenth Day im Esquire. Und natürlich haben meine amerikanischen Leser endlich die Gelegenheit, ein Exemplar von Sprich mit mir zu besitzen und sich von diesem starken, tragischen und doch komischen Roman mitreißen zu lassen. Was die sieben Millionen Filmprojekte meiner Arbeiten angeht, das schleppt sich so voran, durch COVID behindert, auf einem Bein, taubstumm und blind, aber ich habe diese Woche die Verträge an Disney zurückgeschickt, für die Bearbeitung von Die Terranauten. Ich wünsche den Disney-Leuten alles Gute. Was für eine Serie könnte man daraus machen! Ich benutze hier natürlich die Konditionalform, denn das ist es, was Bearbeitungen ausmacht – könnte, würde, vielleicht, womöglich, nächste Woche, nächstes Jahr, nächstes Jahrhundert. Und da fragen mich die Leute, warum Hollywood nicht meine Welt ist – ha!
Und so geht die Sonne weiter auf und unter, und ich marschiere weiter auf mein Grab zu, ein wenig langsamer jetzt, nicht mehr so festen Schrittes, aber so ist es nun mal: Das menschliche Schicksal heißt Euch willkommen.
Ciao für heute.
Im Original erschien der Text am 31. August 2021 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.
Ein wundervolles poetisches Statement. Das Hamsterrad der Pandemie ohne Hamster, der Mensch taumelt zwischen linearer und zirkulärer Zeit und am Ende tröstet der Gruß: wir sind nicht allein.