Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Bienvenidos, amigos. Ich fühle mich etwas ertappt hier draußen angesichts der Tatsache, dass ich die letzten fünf Tage geschwänzt habe, während der ganze Rest von Euch das zehnjährige Jubiläum dieser Seite (www.tcboyle.com) gefeiert hat. Ich wollte bei Euch sein, nicht nur um der tiefen Bindungen zu gedenken, die zwischen so vielen regelmäßigen Besuchern dieser Website entstanden sind, sondern auch um ein Glas auf meinen Sohn Milo zu trinken, der als Zehntklässler an der Laguna Blanca Highschool beschlossen hat, dass sein armer alter Papa einen Internetauftritt braucht.
     Sein Vater konnte kaum ahnen, dass er in Ermangelung eines anderen Kandidaten einer der ersten Blogger im Netz werden würde, ungefähr sechs oder sieben Jahre, bevor er den Begriff überhaupt zum ersten Mal hörte. Und er konnte auch kaum ahnen, was für eine Freude dieses Forum so vielen Leuten bereiten würde. Deshalb stoße ich also, mit einiger Verspätung, mit einem Glas Flor de Cana Siete Anos auf Milo und Euch alle, die diese Seite so reichhaltig und tiefsinnig und lohnend gemacht haben, an.
     Ach ja – aber was ist meine Entschuldigung? Was könnte mich nur vom Computer und unserer virtuellen Feier weggezogen haben? Vielleicht gibt der oben erwähnte Rum Aufschluss. Nein, ich war nicht in Nicaragua, woher dieses wundervolle Getränk stammt, sondern in dem kleinen Land gleich südlich davon: Costa Rica.
     Normalerweise geht es mir – magenmäßig gesehen – in den Tropen nicht so gut, und ich hatte ein oder zwei Tage lang einen kleinen Kampf mit aufdringlicher innerer Flora, aber es war die Freude an den Erlebnissen mit den Tieren im Freien, die mich wieder gesund machte. (Glaubt mir, wann immer Ihr an dem erkrankt, was in Mexico Montezumas Rache heißt, schmeißt einfach einen lebenden Skorpion ein, oder zwei – sie sind nicht nur lecker und proteinhaltig, sondern sie vertreiben auch sehr schnell sämtliche inneren Dilemmas, die Ihr haben könntet.) Es war ein Familienausflug, wir fuhren eine Woche lang über Straßen, die WIRKLICH EIN BISSCHEN BESSER SEIN KÖNNTEN UND NÄCHSTES MAL WERDE ICH DIE HANDYNUMMER VOM COSTARICANISCHEN PRÄSIDENT VERLANGEN ODER ICH KOMME EINFACH NICHT, LEUTE, und dann ließen wir uns in einem rustikalen Dschungelhotel nieder, das einem Freund von mir gehört. Das Hotel ist in Cabo Matapalo, an der Spitze der Osa Halbinsel, und es ist ein kleines Wunder. Überall Wildnis, Agoutis, Coatis, die vier Affenarten, Baumfaultiere, Schmetterlinge, Schlangen, Eidechsen und zahllose Vögel, und während keine der Katzen (Margay, Ozelot, Jaguarundi, Puma, Jaguar) sich sehen ließ, waren sie da draußen im Urwald, vermehrten sich, schissen und töteten. Was, für mich zumindest, ein sehr beruhigender Gedanke ist. Hinaus zu gehen (oder sogar nach innen – siehe der oben genannte Skorpion) heißt, zu jeder Tages- und Nachtzeit Lebewesen zu begegnen, ein Wunder in dieser traurigen alten heruntergekommenen Welt.
     Ich werde mir nicht die Mühe machen, detailliert vom Kampf auf Leben und Tod zu erzählen, den wir in tiefster Nacht draußen im Golfo Dulce ausfochten, als der Motor vom Boot meines Freundes ausfiel und wir durch die Unendlichkeit humpelten, ohne Radio- oder Handyempfang, während Dinge in der Größe von Booten um uns herum auftauchten, oder von den angeschwollenen Flüssen, die wir auf der Route 126 nach La Paz mit dem Auto durchwateten, und von seiner arbeitenden Bevölkerung und den matschigen, aufgeblähten Hügeln, die mich an die Unterseite meiner Geschichte La Conchita erinnerten. Nein. Das würde dem Geiste der Unternehmung nicht gerecht. Also was soll’s, wenn ich fünfzig Tode starb und meine mageren Glieder zum Ergötzen von Insekten darbot, die noch nicht einmal entdeckt wurden? So etwas nennt man Abenteuer.
     Und jetzt bin ich wieder da. Meine nächste Reise wird nicht ganz so abenteuerlich werden, dünkt mich. Und höffte mich. Am 16. Oktober werde ich auf dem New Yorker Festival sein und zusammen mit Mary Gaitskill lesen, und am darauffolgenden Abend werde ich im Paramount Theater in meiner Heimatstadt Peekskill meine Show abziehen, wo die ganze Gemeinde World’s End gelesen hat, und danach wird es eine kostenlose Vorführung von Alan Parkers Verfilmung von Willkommen in Wellville geben. Ich habe nicht vor, zumindest während ich dies schreibe noch nicht, auf der Bühne lebende Skorpione zu verspeisen, obwohl ich, wenn ich in der richtigen Stimmung bin, vielleicht ein oder zwei Hühnern den Kopf abbeißen werde.
     Wir sehen uns dann dort, meine Freunde.


Im Original erschien der Text am 09. August 2009 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.