Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Letzte Woche habe ich an meinem Kaminfeuer verbracht, und während ich mich über die lang ersehnte Rückkehr der Regenfälle freute, habe ich die neue Raymond Carver Biographie von Carol Sklenicka gelesen und zwischendurch wieder einmal in ein paar von Rays Geschichten geblättert. Es war mir nicht klar, wie viele seiner Geschichten so detailgetreu Ereignisse aus seinem Leben wiederspiegeln, und es war eine Freude, manche davon wieder zu lesen und in einem neuen Licht zu sehen. Wie bei Blake Baileys Biographie von John Cheever, die Anfang des Jahres erschienen ist, fasziniert mich die Dynamik des Künstlerlebens, geprägt von dem Bemühen, etwas Bedeutsames zu schaffen und gleichzeitig im Leben zu stehen. Wir alle versuchen, unseren Frieden mit diesem Zwiespalt zu schließen, und versuchen, eine vollkommene Hingabe an unsere Kunst mit dem Wunsch in Einklang zu bringen, ein möglichst wenig zerstörerisches Leben zu führen, während wir gleichzeitig mit den Ansprüchen fertig werden müssen, die Erfolg und Berühmtheit an uns stellen, ganz zu schweigen von denen, die Arbeit und Alltag mit sich bringen. Ich habe einmal einen Tag mit John Gardner verbracht, Rays Lehrer und Mentor, und er hat mir erzählt, dass er jeden Tag den ganzen Tag arbeitet, sieben Tage die Woche, von sieben Uhr morgens bis elf Uhr nachts. Ich hoffe, er hat das nicht ernst gemeint. Denn, wie ich zu ihm gesagt habe, wo bleibt bei so einem Tagesablauf die Zeit, sich auf dem Planeten Erde des Lebens zu freuen? Man denke noch dazu an das Elend, wenn einem die Arbeit jeden Augenblick dieser langen, Spreu vom Weizen trennenden Tage im Nacken sitzt.
     Sowohl Ray als auch John Cheever waren vom Alkoholismus zerfressen, was ihrer Karriere erheblichen Schaden zugefügt hat, und doch ist es beiden gelungen, zeitlose Kunst zu schaffen. Natürlich kann ich nicht anders, als zwischen ihrer und meiner Karriere Vergleiche anzustellen und darüber nachzudenken, was Kunst und Liebe und familiäre Beziehungen bringen, was man aufgibt, um ein Künstler zu sein, und was man dafür bekommt. Von Anfang an habe ich versucht, mich auf die Arbeit an sich als das ultimative Ziel zu konzentrieren, ohne Ablenkungen irgendwelcher Art (und das hat mir geholfen, meine eigenen Dämonen in Schach zu halten, bis jetzt wenigstens), und doch dabei nicht zu verkennen, wie wichtig es ist, einfach ein Mensch zu sein und mich mit den Menschen in meiner Umgebung zu befassen. Obwohl ich auch jeden Tag arbeite, sieben Tage die Woche, hat bei mir jeder Tag einen Feierabend, etwa um zwei oder drei Uhr Nachmittags, und in dieser Zeit denke ich bewusst nicht an das Projekt, an dem ich gerade arbeite, bis ich am nächsten Morgen den Computer anschalte und es von vorne losgeht.
     Das also sind meine Neuigkeiten. Ich lese, denke nach, sehe zu, wie der Regen aus den offenen Dachrinnen im zweiten Stockwerk sabbert, arbeite an der vierten Geschichte der neuen Serie, seit ich Wenn das Schlachten vorbei ist Ende Juli abgegeben habe. Die erste davon, My Pain Is Worse Than Your Pain, erscheint in der Januar-Ausgabe von Harper’s. Gestern habe ich ein Exemplar bekommen und ich muss sagen, dieser Titel quer über der Titelseite des Magazins macht ziemlich was her. Die zweite Geschichte, ein komisch-tragisches Stück namens The Silence, erscheint in der Belletristik-Ausgabe vom Atlantic, aber leider erst nächsten Sommer, also nach dem Sommer, der gerade dabei ist, sich auf den matschigen Pfoten der Wintersonnenwende seinen Weg zum Horizont entlang zu hangeln. Die dritte und neueste der neuen Geschichten, die auf meinen Erinnerungen an die 70er und 80er Jahre beruht und A Death in Kitchawank heißt, wurde gerade vom New Yorker angenommen, und ich werde Euch wissen lassen, wann sie erscheint. (Ja, Kitchawank, ein Hinweis auf das Setting von World’s End, und vielleicht hatte ich die Inspiration zu dieser Geschichte deswegen, weil ich den Roman vor kurzem mal wieder gelesen habe, jetzt werdet Ihr auch eine Verbindung zwischen der Geschichte und den beiden feststellen können, die sich um die Figur Les, Mexico und All the Wrecks I’ve Crawled Out Of drehen.)
     Zu guter Letzt, obwohl es ein klein wenig zu früh ist, allen unter Euch merry messagistas und luminous lurkers das Beste für die Weihnachts- und Hanukkahzeit zu wünschen, werde ich einen Frühstart hinlegen und es Euch jetzt schon wünschen: Merry, merry, happy, happy. Und obwohl ich nicht zu Euch komme und Euch das Geschenk bringe, das ich Euch letztes Jahr geschenkt habe – meine Weihnachtsgeschichte Three Quarters of the Way to Hell – könnt ihr ja einfach in den Archived News auf Dezember 2007 klicken und das Geschenk nochmal in Empfang nehmen. Und hiermit, im besten und selbstlosesten Sinne der Weihnachtszeit, schließe ich, indem ich Euch, die ihr in ausgewählten Städten wohnt, das Geschenk der Vorfreude mache, das heißt, Euch den aktuellen Stand der Tour-Daten mitteile:

  • 25. Januar 2010, 7:30 P.M.
    Santa Barbara, Victoria Hall
  • 26. Januar 2010, 7:00 P.M.
    L.A., Los Angeles Public Library, 650 W 5th St.
  • 28. Januar 2010, 7:30 P.M.
    N.Y., Barnes and Noble, 1972 Broadway at 66th St.
  • 29. Januar 2010, 7:00 P.M.
    Brooklyn, The Powerhouse Arena, 37 Main Street
  • 30. Januar 2010
    Hartford/New Haven, RJ Julia, 768 Boston Post Rd, Madison CT
  • 01. Februar 2010
    Chicago, Chicago Public Library, 400 S. State St.
  • 02. Februar 2010, 7:00 P.M.
    Atlanta, Margaret Mitchell House, 990 Peachtree Street NE
  • 03. Februar 2010, 7:00 P.M.
    Saint Louis, St. Louis Public Library, 1301 Olive St.
  • 08. Februar 2010, 12:00 P.M.
    Dallas/Ft. Worth, SMU University Library, SMU Campus
  • 09. Februar 2010, 7:30 P.M.
    Denver/Boulder, Boulder Book Store, 1107 Pearl St.
  • 20. Februar 2010
    San Francisco/Bay Area, The Dance Palace, 503B Street, Point Reyes Station
  • 21. Februar 2010
    L.A., Word Theater/Diesel Books, Broad Center Stage Theater

Fürs Erste war’s das, aber je näher die Termine rücken, umso mehr könnten es werden.


Im Original erschien der Text am 14. Dezember 2009 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.