Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Wie ich vor kurzem im Diskussionsforum erwähnt habe, kann ich berichten, dass ich in der zweiten Woche dieses Monats perfekte Dankbarkeit gegenüber den höheren Mächten, die es nun geben mag oder nicht, empfunden habe, vor allem dafür, dass sich die Kräfte der Anarchie zurückgehalten haben, die das Universum hin- und her schwenken wie Urin in einer gesprungenen Schüssel. Warum? Ganz einfach: Ich habe sechs Tage in den Bergen verbracht, während die Jagdsaison in vollem Gange war, und wurde nicht erschossen, von einem Pfeil durchbohrt oder habe auch nur einen Streifschuss abgekriegt. Wirklich erstaunlich. Die meiste Zeit habe ich mich von den Wäldern ferngehalten und kauerte stattdessen am Ufer des Sees (der außerhalb des Gebiets der Jäger liegt) und an der Bar der Hütte (die sehr wohl in ihrem Jagdgebiet liegt, aber in deren Innerem sie selten ihre Abzugsfinger bewegen). Andererseits habe ich gehört, dass die Hirsche eine echte Niederlage einstecken mussten und die Bären sich versteckt halten, und das ausgerechnet jetzt, da sie hyperphagisch werden müssten. Und hier bin ich, wieder zu Hause und im Besitz einer neuen Anthologie mit Umwelttexten mit dem Titel I’m with the Bears, herausgegeben von Mark Martin, die einen Auszug aus Ein Freund der Erde ebenso enthält wie Texte von, unter anderem, David Mitchell und Margaret Atwood. (Der Titel stammt übrigens von Dave Foreman via John Muir: »John Muir hat gesagt, wenn es je zu einem Kampf zwischen den Arten käme, würde er sich auf die Seite der Bären stellen. Dieser Tag ist gekommen.«)
     Jedenfalls freue ich mich darauf, gegen Ende des Monats noch einmal in die Wälder zu kommen, sobald die Jäger abgezogen sind. Ich habe die kalifornische Hirschjagdsaison durchaus gegoogelt und soweit ich erkennen kann, endet sie am 23. des Monats, aber diese Google-Suche war ziemlich wundervoll, weil der erste Treffer, der angezeigt wurde, eine Annäherungsseite für Singles auf Partnersuche war mit einer Hirschjagd als zusätzlichen, netten Anreiz. Stellt Euch das vor: eine erste Verabredung im Herbstwald und zwei eifrige, potenzielle Liebende da draußen, die zusammen einen Hirschkadaver ausnehmen. Das ist ja mal verdammt erotisch. Wir hatten übrigens früh Schnee, in der ersten Woche des Monats. Ich habe ihn verpasst, da ich einen schönen, erholsamen Regen hier unten an der Küste genossen habe, aber es waren ein paar weiße Flecken da draußen auf dem Berg zu sehen, kleine Seelenbärte am Kinn der Abhänge. Und zu guter Letzt, für die ganzen Waschbärenspezialisten unter Euch, Ihr werdet mit Erleichterung hören, dass die Waschbärin mir verziehen hat, dass ich sie in den Monaten August und September im Stich gelassen habe – am zweiten Abend war sie zurück, in Gesellschaft eines einzigen Jungen, mit herzhaftem Appetit.
     In der Zwischenzeit genieße ich den großen und endlos weiten Frieden, der mich durchströmt, seit ich den neuen Roman (San Miguel) und den zweiten Band der gesammelten Geschichten (mit einem Vorwort des Autors) bei meinem Lektor bei Viking abgegeben habe. Wir überlegen jetzt, wann diese Bücher erscheinen und für Euch erhältlich sein werden. Der Roman könnte für nächsten Herbst geplant sein, aber andererseits, wie ich schon einmal erwähnt habe, findet da anscheinend eine Art Wahl statt, eine ungünstige Zeit, um die Aufmerksamkeit der Presse zu erlangen, wenn man nicht gerade ein Schwätzer ist, der sich endlos über Kandidaten und Parteitage (oder einen Mangel daran) auslässt. Herrje, es ist noch über ein Jahr bis zu den Wahlen und ich habe jetzt schon gründlich die Schnauze voll von der ganzen Angelegenheit. Jedenfalls wird San Miguel sich entweder dem Herbst stellen oder bis zum Winteranfang warten und nächsten Herbst erscheint T.C. Boyle Stories II: The Collected Stories of T. Coraghessan Boyle, Volume II. Wer weiß schon, was danach kommt? Obwohl ich soeben die erste von den fünf oder sechs erhofften Geschichten fertig habe, die das Manuskript der Gesammelten ergänzen werden. Es handelt sich um eine kleine, wilde Geschichte, die den großen puerto-ricanischen Science Fiction-Schriftsteller Filéncio Salmón einschleust. Der Titel ist Los Gigantes und ich werde Euch wissen lassen, wann und wo sie erscheint. Aber jetzt muss ich erst mal über die nächste Geschichte nachdenken, ganz zu schweigen von der essentiell wichtigen Frage, was ich an Halloween machen soll.

P.S. Da wir gerade von unheimlichen Bildern sprechen, das Bild anbei ist der Entwurf für die deutsche Ausgabe von When the Killing’s Done, die im Frühjahr im Hanser Verlag veröffentlicht wird.


Im Original erschien der Text am 22. Oktober 2011 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.