Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Endlich, nach einer Ewigkeit Trockenheit, kam der Regen, aber leider genau zu dem Zeitpunkt, als ich letztes Wochenende nach San Francisco geflogen bin. Ich bin nach meinem Unterricht letzten Freitag dorthin aufgebrochen, um die Inszenierung meiner Kurzgeschichte Erbärmlicher Fugu am Samstagabend anzuschauen und hinterher auf der Bühne interviewt zu werden. Der Flug hatte natürlich Verspätung, aber dieses Mal hatte die Fluggesellschaft wenigstens eine Entschuldigung – nämlich den Regen – und dann gab es das ewige und qualvolle Im-Kreis-Fliegen um den Flughafen von San Francisco nach der vorgeschriebenen Warteschleife. Nicht dass ich mich beschwere. Ich steige nie in ein Flugzeug, ohne Belästigung und Terror zu erwarten (und ja, ich wurde wie erwartet von einem freundlichen Flugsicherheitsmitarbeiter abgetastet). Jedenfalls kam ich dort an, wenn auch zu spät für ein Abendessen oder um irgendwie Spaß zu haben, aber ich wachte an einem regnerischen Samstag und einem Tag wachsender Freude auf, der in der Produktion meiner ehrenhaften Foodie-Geschichte durch das Word for Word Theater gipfelte, die erste in meiner Sammlung Wenn der Fluss voll Whisky wär von 1989.
     Ich muss zugeben, dass ich nicht wusste, was ich von einer Theatergruppe halten sollte, die eine in der dritten Person geschriebene Kurzgeschichte Wort für Wort aufführt, wie ihr Name schon sagt, anstatt sie in einen Dialog umzuwandeln. Es war wirklich ziemlich erstaunlich. Ganz zu schweigen von witzig. Jede Figur äußerte die Erzählung, wie sie zu seiner oder ihrer Handlung passte – und es gibt einen Haufen Handlung in dieser Geschichte. Für diejenigen, die sie nicht kennen, Erbärmlicher Fugu handelt von einer mürrischen Restaurantkritikerin und dem Koch/Besitzer eines Anfängerrestaurants in Los Angeles namens D’Angelo’s. Die Kritikerin – Willa Frank – kommt normalerweise in irgendein Restaurant, unangekündigt und inkognito, bei drei Gelegenheiten, wie Scrooges Gespenster, und natürlich hat man drei Treffer und ist draußen. Als ich mich vor ein paar Jahren auf meinem Berg hinsetzte, um die Geschichte zu schreiben, war mir nicht klar, dass sie über das vordergründige Szenario hinausreichen würde, um die Funktion von Kritik an sich zu untersuchen, oder dass sie mein kleiner Liebesbrief an die Kritiker der Welt werden würde, aber so hat es sich ergeben. Auf welcher Seite ich bin? Auf der des Künstlers natürlich. Sie wurde schon viele Male auf die Bühne gebracht, aber noch nie in einem Format, das so spannend und klug war wie dieses. Ich war begeistert. Ich lachte. Das Publikum rockte und schüttelte sich. Irgendwo in meinem Hinterkopf fragte ich mich: Warum inszenieren sie nicht alle meine Geschichten, eine pro Monat, bis in die ferne Zukunft?
     Aber wieder im wahren Leben angekommen, oder zumindest in dem Leben, das ich zur Zeit führe, während ich hier an der Tastatur sitze und nach draußen in die Bäume starre, kann ich berichten, dass die erste der neuen Kurzgeschichten, Los Gigantes, in der nächsten Ausgabe vom New Yorker erscheint. Das ist die erste der Geschichten, die ich geschrieben habe, als ich mit dem letzten Roman, San Miguel, fertig wurde, und sie ist, gelinde gesagt, fantasievoll. San Miguel, wie ich hier schon erwähnt habe, ist mein erster Versuch eines geradlinig realistischen Romans, ohne Ironie, und ich nehme an, ich wollte mit Los Gigantes ausbrechen und ein bisschen Verrücktspielen, nur für einen Tempowechsel, Ihr versteht schon. Ich werde Euch darüber urteilen lassen, ob es mir gelungen ist oder nicht. Weitere Neuigkeiten: Ich habe eine Reihe von Interviews gemacht, um die deutsche Veröffentlichung von Wenn das Schlachten vorbei ist und die spanische Veröffentlichung von Wild Child bei meinem neuen Verleger, Impedimenta, mit Sitz in Madrid, zu unterstützen. Hier in den USA sind wir damit beschäftigt, uns Entwürfe für das Cover von San Miguel anzusehen, das im September erscheinen soll, und Penguin hat gerade die Taschenbuchausgabe von Wenn das Schlachten vorbei ist herausgebracht, dessen triefend dramatisches Cover diesen Blogeintrag begleitet.
     Was also will ich hier sagen? Dass Theater gut ist, dass Geschichten gut sind, dass ich schon wieder einen Flug überlebt habe und dass unter dieser Federführung eine ganze bunte Mischung von neuen Werken erscheinen wird. Viel Spaß damit.


Im Original erschien der Text am 27. Januar 2012 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.