Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Wenn ich dem Blogeintrag dieses Monats einen Titel geben würde, würde ich ihn die »Sitting on Top of the World-Ausgabe« nennen. Warum? Weil, kurz bevor ich Ende letzten Monats meine Bergfeste im Sequoia National Monument verließ, die Nachricht kam, dass der Feuerbeobachtungsturm Needles Lookout niedergebrannt ist. Anscheinend kochte der dort eingerichtete Ranger sein Frühstück, als Funken von dem Feuer dem Kamin entwichen und das Schindeldach in Brand setzten. Zu der Zeit bekämpfte der Park Service gerade ein großes Feuer im Norden, und obwohl ein Hubschrauber über dem Ausguck schwebte und einen ganzen Wassertank abwarf, war es einfach nicht genug. Das berühmte Bauwerk, vom Civilian Conservation Corps (Anm. Übersetzerin: eine von Franklin D. Roosevelt eingerichtete ABM) in den 30er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts erbaut, existiert nicht mehr. Warum erwähne ich das? Weil manche von meinen Lesern sich daran erinnern werden, dass ich damals, im Jahr 1989, nachdem ich den Wachtturm zum ersten Mal besucht hatte (eine Fünf-Meilen-Rundwanderung übrigens), Sitting on Top of the World (dt. Auf dem Dach der Welt, aus dem Sammelband Fleischeslust) geschrieben habe, eine dunkel Lawrence-artige Geschichte über die Rangerin und einen sehr hartnäckigen Liebhaber, der unten wartet und wie Glut in der Nacht brennt. Aber was für eine Aussicht! Was für ein Horst! Und was für ein Verlust. Werden sie ihn wieder aufbauen? Wer weiß? Es scheint, dass wir in letzter Zeit nicht mehr viel Geld für irgendetwas anderes übrig haben als Bomben über muslimische Länder abzuwerfen. Aber ich hoffe es. Inständig.
     Wie ich in meinem letzten Eintrag erwähnt habe, ging ich davon aus, dass ich auf den Festivals in Kilkenny und Edinburgh sowohl unterhalten würde und unterhalten werden würde, und ich wurde nicht enttäuscht. Ich war in Begleitung meiner Frau und meiner Kinder sowie eines meiner besten Freunde, Mitchell Burgess, der zusammen mit seiner Frau, Robin Green, Bluebloods geschaffen und viele Folgen von The Sopranos und Northern Exposure geschrieben hat. Wir kennen uns von unserer gemeinsamen Zeit in Iowa City, nach der wir vier gleichzeitig nach L.A. gezogen sind. In Irland konnte ich meine alte Heimat am Lough Hyne (ehemals Loch Ine) zum ersten Mal seit 24 Jahren besuchen und ich habe eine Reihe alter Freunde wieder getroffen, darunter die unerschrockenen Collinses aus Baltimore, County Cork, und Toby Wolff, der auch auf beiden Festivals aufgetreten ist. Lassen wir es dabei bewenden, dass die Umsätze der Guinness Brauerei während unseres Aufenthalts nicht zurückgegangen sind.
     Und jetzt, was den Trend angeht, seinen Darm in einen Plastikbeutel zu entleeren, dem ich zum ersten Mal in Richard Grants bald erscheinendem Reise-/Abenteuerbuch Crazy River begegnet bin (anscheinend haben die Bewohner von Dar Es Salaam auf diese Weise das Problem ihrer sanitären Einrichtungen, oder dem Mangel daran, gelöst: Sie verrichten ihre Notdurft in einem Beutel und werfen diesen Beutel in ein Feuer, das ständig auf der Müllkippe der Stadt brennt), so ist mir eine Frau begegnet, die genau das direkt neben einem großen blauen Campingwagen am Lough Hyne getan hat, im strömenden Regen. Immer auf der Hut habe ich Abstand zu ihr gehalten. Und obwohl ich es nicht wirklich weiß, nehme ich an, dass sie das Endprodukt per Fed-Express nach Dar Es Saalam schickt.
     Was noch an Provokationen und Aufregungen? Nun ja, ich durfte in Kilkenny im Schloss auftreten und das superlativ coole Performance-Zelt auf dem Edinburgh Festival besuchen, um Musiker und Schriftsteller ihr Ding machen zu sehen, mit einer Art von Freude und Überzeugung, die man von einem Überfliegerclub erwarten könnte. Und all das aufgebaut und weggefegt wie etwas aus Tausendundeine Nacht. Es war allerdings matschig. Sehr matschig. Und ich habe den Festival-Bossen vorgeschlagen, dass wir ein Schlamm-Catchen-Event zwischen den Schriftstellern veranstalten, als Zweikampf. Ich habe sogar freiwillig angeboten, es mit jeder Schriftstellerin über achtzig aufzunehmen.
     Ja, so ist das. Einige von Euch werde ich Ende September sehen, wenn ich auf dem New Yorker Festival bin, zusammen mit Joyce Carol Oates und George Saunders, und dort über The Dark Side rede, unter dem Vorsitz von Deborah Treisman. Und davor, am achtzehnten, werde ich hier in Santa Barbara sein und auf der Bühne mit dem Regisseur und dem Star von The Lie, Joshua Leonard, darüber reden, wie die Geschichte zu einem Film wurde. Wenn ich noch weiter vorausschaue, sehe ich, dass mein Presseagent eine Mini-Tournee für die Veröffentlichung der Taschenbuchausgabe von Wenn das Schlachten vorbei ist organisiert. Das wird im März stattfinden und mich neben L.A., San Francisco, St. Louis, Kansas City und Denver in Städte bringen, die ich bei solchen Anlässen selten besuche: Tucson, Nashville und Austin. Wenigstens halten sie mich im Westen, so dass ich nicht die Strapazen einer Reise von Küste zu Küste auf mich nehmen muss. Und natürlich kann ich mir gut vorstellen, dass die Tournee für San Miguel (geplant für 2012?) mich ganz gewiss wieder an die Ostküste bringen wird.
     Jetzt im Moment aber sehne ich mich nach neuen Geschichten und ich gehe davon aus, dass ich sie in nicht allzu ferner Zukunft schreiben werde. Auf die Hoffnung …


Im Original erschien der Text am 27. August 2011 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.