Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Die Abenteuer gehen weiter (das heißt, ich war wieder einmal nicht an meinem Schreibtisch und bin in dem ein oder anderen Hotel aufgewacht, nachdem das Leben auf Tour wie immer, so traurig es ist, wie das Leben zu Hause geworden ist, dieser gewidmete Ort, wo meine Finger pflichtbewusst über der Tastatur schweben und mein Kopf zur Rhapsodie des Schreibens tanzt). Vorletzte Woche fand ich mich im arktischen Chicago, wo ich für zwei festliche Abende hinaus ins Palatine und Harper College driftete. Am zweiten Abend habe ich nach einer feurigen Einführung durch Greg Herriges auf der Bühne eine Geschichte zum Besten gegeben. Das war ein plethorischer Spaß, außer dass ich nicht mehr in der Lage war, irgendwohin zu gehen, dank Temperaturen um die minus 10 Grad und stürmischer Winde, die mein mageres, unvorbereitetes Gestell beutelten, sodass allein der Weg zum Ende des Hotelparkplatzes dem ähnelte, was Schiwago auf seinem Treck durch die heulende Steppe durchmachen musste. An dem Tag, an dem ich das Flugzeug nach Austin besteigen sollte, lag die Temperatur bei geizigen minus 13 Grad, aber keine Sorge, in Austin war es zehnmal so warm (genau, und das ist nicht übertrieben). Aha, dachte ich, das ist der richtige Ort für einen kleinen Spaziergang, um diese Chicago-erfrorenen Beine zu strecken. Und so war es. Ich lief vom einen Ende des Universitätscampus zum anderen und wieder zurück, bis ich, mirabile dictu, tatsächlich schwitzte. Wie nett, dachte ich. Wie passend. Wie paradiesisch.
     Diesmal habe ich mein Archiv im Harry Ransom Center nicht besucht, aber ich war dort mit dem Direktor und einigen Mitarbeitern zum Mittagessen eingeladen. Direkt zu meiner rechten am Tisch im Sitzungssaal, wo wir aßen, saß die robuste Frau, die jetzt die zehntausende Seiten katalogisiert, die das Archiv enthält. Sie war fröhlich und ausgeglichen und schien mir nicht böse zu sein, obwohl sie in der absehbaren Zukunft täglich das ganze Material durchblättern muss, das so viele Jahre keine menschliche Hand berührt oder menschliches Auge angesehen hat. Sie hatte zwei Geschenke für mich. Das erste war eine Xerokopie von einer einzelnen Seite einer handgeschriebenen Geschichte, die bei den Arbeitsnotizen von Willkommen in Wellville gefunden wurde. Soweit wir feststellen konnten, handelte es sich dabei um einen der frühen Versuche meiner Tochter in Kurzgeschichten (sehr früh: sie wäre zu der Zeit noch keine dreizehn gewesen). Das andere war ein Briefumschlag mit fünf knisternd neuen amerikanischen Geldscheinen frisch von der Bank: ein Zwanziger, ein Zwei-Dollar-Schein und drei Ein-Dollar-Scheine. Das war in der Mappe von Der Samurai von Savannah vergraben – unsere beste Erklärung ist, dass ich auf dem Rückweg von Japan (1989) Yen in Dollar umgetauscht habe und sie dann in eins meiner Notizbücher gesteckt und vergessen haben. Schön, natürlich, aber leider waren es nicht, ach, sagen wir, einige Hunderttausend in sogar noch neuen knisternden Hundert-Dollar-Scheinen.
     Meine nächste Serie funkelnder Abenteuer trug sich vergangene Woche in L.A. zu, wo ich mich in Vorbereitung darauf, meine Pflichten für eine Woche als ansässiger Autor zu leisten, in einem gewissen Hotel gegenüber von der USC einmauerte. Am Dienstagabend marschierte ich über die Bühne, am Mittwoch waren wir zu einem Konzert von Bachstücken von meinem Distinguished Professor-Kollegen Midori eingeladen, und am Donnerstag waren wir wieder eingeladen, diesmal zu einer erstaunlichen und witzigen Dichterlesung vom diesjährigen Magill-Leser, James Tate. Alles gut, alles eine Freude, aber beim besten Willen keine echte Arbeit – das heißt Schreiben. Aber jetzt ist alles klar zum Gefecht, oder ziemlich (ich habe immer noch Auftritte an meiner Alma Mater vor mir, SUNY Potsdam, und in Stanford und Sacramento), und ich freue mich darauf, mich wieder in den Roman zu stürzen, an dem ich gerade arbeite, Hart auf hart, von dem der erste, fünfzig Seiten lange Teil fertig ist.
     Paris? Wer hat was von Paris gesagt? Mein langjähriger französischer Verleger, Grasset, hat gerade Wenn das Schlachten vorbei ist herausgebracht (Après le Carnage, übersetzt von Bernard Turle), aber weil ich gerade vom vielen Touren im vergangenen Jahr platt war, war ich nicht in der Lage, einen weiteren transkontinentalen/transatlantischen Flug auf mich zu nehmen, und werde deshalb Paris für die Veröffentlichung von San Miguel bei Grasset nächstes Jahr aufheben. (Auch wenn Sacramento nicht ganz dieselben Freuden bietet wie die Stadt des Lichts, liegt es, das müsst Ihr zugeben, verdammt viel näher.) In der Zwischenzeit sieht es so aus, als würde meine Geschichte The Night of the Satellite in der New Yorker-Ausgabe vom 8. April erscheinen (zusätzlich habe ich sie bereits für die Tablet-Ausgabe der Zeitschrift vorgemerkt), und es heißt, dass eine weitere, Burning Bright, jeden Tag in McSweeney’s dran sein müsste. Was die Erscheinungstermine von Sic Transit in Harper’s und The Marlbane Manchester Musser Award im Playboy anbelangt, habe ich noch nichts gehört und keine Korrekturabzüge bekommen. Ich werde es Euch ganz sicher wissen lassen, wann diese Geschichten veröffentlicht werden sollen.
     Zu guter Letzt: Das Foto anbei, das hier in einem der ältesten Blogs des bekannten Universums zu sehen ist, wird für das Cover von T.C. Boyle Stories II in Betracht gezogen, voraussichtlicher Erscheinungstermin ist Oktober. Wir arbeiten noch daran, die Farben anzupassen, aber ich denke, das wird es werden. Viele von Euch werden es wiedererkennen, wenn auch in veränderter Form, vom Autorenbild auf der Rückseite von Wenn das Schlachten vorbei ist. Es ist hier vor zwei Jahren von Jamieson Fry gemacht worden. Danke, Jamie.


Im Original erschien der Text am 31. März 2013 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders. Foto: Jamieson Fry.