Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Ulrich Tepelmann

 

Jetzt sind wir also abermals – und auch noch so schnell – in diesem winzig kleinen Riss im Kalender angekommen, der meinen liebsten Feiertag darstellt. Wenn man wie ich in einer Siedlung in New York aufgewachsen ist, wo es jede Menge anderer Kinder gab, war Halloween eine Zeit, in der wir uns frei von allen uns einengenden Erwachsenensachen fühlten. Die Kleinen von heute, gegängelt auf Grund elterlicher Ängste vor den realen Monstern da draußen, werden nie erfahren, wie frei wir uns fühlten, wenn wir in unseren selbstgebastelten Kostümen in die schützende Dunkelheit hinausschlüpften, um in zufällig zusammengewürfelten Gruppen (also Gangs) von Tür zu Tür zu gehen, ohne Bürgersteige oder Straßenlaternen. Es war kalt. Oft regnete es. Unsere Zähne taten weh, und der Zahnarzt rieb sich vor Entzücken die Hände. Aber trotz alledem war es pure Magie. Jetzt bin ich natürlich durch eine andere Art elterlicher Erwachsenenautorität (mich selbst) eingeengt, und anstatt durch die Nacht zu streifen, läuft es darauf hinaus, dass ich, Kinn in der Hand und auf meinen Ellbogen gestützt, in einer netten festlichen Bar berauschende Getränke konsumiere und die Welt einlade, zu mir hereinzukommen. Ich beklage mich nicht. Das macht Spaß. Aber auf einer Genuss-Skala von 1 bis 10, wobei 1 die höchste Stufe ist, kann das gerade mal eine 10 sein, verglichen mit den Nächten aus vergangenen Kindertagen. Was will ich damit sagen? »Des Mannes Vater ist das Kind / Und wärs ein Wunsch, der mir zusteht / Den Tagen sei, die mir noch sind / Ein einend Band die schlichte Pietät.« Und weiter: »Es gab die Zeit, da Wiese, Fluss, des Waldes Saum / Auch wenn es ungewöhnlich nicht, was ich da konnte schaun / Gekleidet schien mir in ein Himmelslicht / In Glanz und Frische wie im Traum.« (Deutsch von Dietrich H. Fischer)
     Hört ihr mich seufzen? Und William Wordsworth hat auch geseufzt.
     Aber was ist mit Neuigkeiten? Die Neuigkeit ist, wie viele von Euch wissen werden, dass T.C. Boyle Stories II in diesem Monat erschienen ist und dass ich auf einer schön kurzen Amerika-Tour war, um die Menschen zu unterhalten und sie mit dieser prallen Sammlung all der Erzählungen bekannt zu machen, die ich seit dem Erscheinen von T.C. Boyle Stories im Jahr 1998 geschrieben habe. Ich danke allen, die gekommen sind. Jeder meiner Auftritte hat riesengroßen Spaß gemacht. Das 92nd Street Y ist immer was ganz Besonderes, und so war es auch an dem Abend, als ich da auftrat; aber ich muss das New York State Writers‘ Institute in Albany und die kleine (vormalige) Kirche in Cold Springs als Höhepunkte hervorheben, nicht zu reden vom Z Theater in San Francisco, wo ich letztes Jahr bei der unglaublichen Aufführung des Word for Word Theaters von Erbärmlicher Fugu im Publikum saß. Wenn man unterwegs ist, gibt es natürlich immer Komplikationen, wobei das Hauptproblem die Unterwäsche ist, aber da das längste Stück, welches ich ohne Unterbrechung von zu Hause (und von Waschmaschine und Trockner) weg gewesen bin, eine Woche war, konnte ich einfach jeden Abend meine eigene Unterwäsche aufessen, bevor ich mich aufs Ohr legte. Probiert das mal aus, vielleicht mit ein bisschen scharfer Sriracha-Chilisauce. Ist auf jeden Fall besser als alles mit sich herumzuschleppen.
     Na gut, jetzt wieder ernsthaft – oder zumindest aufrichtig. Ich wünsche Euch das Allerbeste für diesen Tag, den Abend und die schaurig-schöne Nacht. Alle bereit für die Party?

P.S. Vergleicht bitte mal das Foto hier mit dem vom letzten Jahr (What’s New vom 31. Oktober 2012) und genießt auch die kleine Geschichte Leber und Zwiebeln.


Im Original erschien der Text am 31. Oktober 2013 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Ulrich Tepelmann.