Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Während ich diesen neusten Eintrag zur Feier des zwölfjährigen Jubiläums von tcboyle.com online stelle, bereite ich mich schon wieder darauf vor, in den großen, kreischenden Stahlvogel zu steigen und zu ertragen, wie all diese Stunden elend zerrinnen auf meinem Weg über die braune Leere Amerikas und die monotone, graue Platte des Atlantiks. Aber Halleluja! Zwölf Jahre! Und das macht mich, worauf ich oft mit der größten Bescheidenheit hingewiesen habe, zu einem der allerersten Blogger, obwohl ich den Begriff bis vor ein paar Jahren natürlich noch nicht einmal gehört hatte – es gab ihn damals nicht – und ich konnte mir nicht vorstellen, mir Zeit von meiner Arbeit zu nehmen, um täglich oder sogar wöchentlich einen Blogeintrag zu schreiben, was Ihr mir hoffentlich verzeiht. Tweets? Vergesst es. Ich warte nur auf das Gehirnimplantat.
     Was ich zur Feier dieses glücklichen Anlasses getan habe, ist, mir den allerersten Eintrag anzuschauen, vom 4. August 1999 (Ihr könnt dasselbe tun, indem Ihr hier auf das Nachrichtenarchiv klickt). Meine Nachricht damals war, dass ich gerade meinen neuesten Roman, Ein Freund der Erde, fertig geschrieben hatte und mich darauf freute, dass die gesammelten Kurzgeschichten, T.C. Boyle Stories, als Taschenbuch erschienen, und außerdem war ich gerade dabei, die nächste Sammlung zusammenzustellen, Schluss mit cool. Ach, das ist Geschichte. Aber hier und jetzt befinde ich mich in einer ähnlichen Lage. Ich habe den neuen Roman, San Miguel, oben auf dem Berg am 21. des letzten Monats fertig geschrieben, und freue mich darauf, ihn zu überarbeiten und in einem Monat oder so an meinen Agenten und Verleger zu schicken, und danach kann ich mich hoffentlich meinen Kurzgeschichten widmen, mit der Aussicht, die nächste Sammlung fertig zu stellen, A Death in Kitchawank and Other Stories, die vermutlich in Band II der Gesammelten aufgehen wird, damit dieser Band genauso dick und reichhaltig wird wie der erste.
     Ich habe lange geschuftet, und mit Vollgas, um mich durch die Tour von Wenn das Schlachten vorbei ist zu kämpfen und San Miguel, das Gegenstück dazu, bis zu meiner selbst auferlegten Frist, zum 31. Juli, fertig zu schreiben, und ich bin erschöpft. Und doch hatte ich, seit ich den neuen Roman fertig habe, meine ersten paar freien Tage seit langem und alles lief glänzend und glatt. Am Donnerstag letzte Woche war ich um neun Uhr in der Früh, anstatt an meinem Schreibtisch gefangen zu sein, mitten im Wald im Sequoia Nationalpark, untersuchte frischen Bärenkot, fütterte die Moskitos und hing der Frage nach, wo die Enten von unserem See ihren Tag verbringen (im Unterlauf des Holby Creek Flusses, in dem Sumpfgebiet dort, wo sie essen, paddeln und sich nervös über die Schultern schauen). Ich sprang in einen eiskalten Fluss und schwamm im See. Ich las. Wanderte. Sonnte mich. Genoss es. Und dachte nicht einmal an den gerade zu Ende geschriebenen Roman. Oder jedenfalls nicht viel.
     Jetzt muss ich in eine ganz andere Art von Medium springen: das literarische Leben. Ich werde am 10. August beim Kilkenny Festival auftreten, wo der brillante Colm Tóibín mich vorstellen wird (wenn Ihr sein vorzügliches Brooklyn oder The Master oder Mothers and Sons noch nicht gelesen habt, erwartet Euch eine besondere Freude), und dann am 13. beim Edinburgh Festival. Dazwischen werde ich hoffentlich ein paar alte Freunde in Irland wiedersehen und ein klein bisschen Spaß haben. Dann heißt es wieder zurück an die Arbeit.
     Fürs Erste aber hebt ein Glas zur Feier des Tages. Diese Internetseite hat mir so viel mehr Freude bereitet als ich mir je hätte vorstellen können, als ich sie am Anfang einrichtete, und ich bin Euch allen sehr dankbar. Und immer auch Milo, der das alles möglich gemacht hat.
     Slainte

P.S. Ich bitte alle Australier unter Euch um Entschuldigung. Mir ist aufgefallen, dass ich schon damals, 1999, angekündigt hatte, dass ich für einen Besuch zu Euch reisen würde, aber die Umstände haben es verhindert. Ich hoffe, dass ich es bald schaffe. Und in der Tat bin ich in Verhandlungen mit Eurem literarischen Establishment, Euren führenden Politikern und Diplom-Geologen getreten, um den Kontinent wenigstens ein paar tausend Kilometer näher an Kalifornien heran zu rücken. Das wäre die Krönung für mich.


Im Original erschien der Text am 04. August 2011 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.