Von T. Coraghessan Boyle

Deutsch von Sabine Anders

 

Ich bin jetzt wieder zu Hause nach dem letzten Sturm der Tournee mit Wenn das Schlachten vorbei ist, der die Spreu vom Weizen trennte. Das war letzten Donnerstagabend vor einem kleinem, aber zähen Publikum im Bootleg Theater in L.A., ein Auftritt, der für den Fernsehsender arte Frankreich von einer Kamera-Crew aufgenommen wurde, die aus einem einzigen brillanten Kerl namens Olivier bestand. Jetzt ist bei mir wieder ein Anschein von Normalität eingekehrt und ich schreibe fleißig am zweiten Kapitel des dritten und letzten Teils von San Miguel, den ich hoffentlich Ende diesen Sommer fertig haben werde. Da wir hier natürlich von den Launen der künstlerischen Inspiration reden, weiß man nie. Vielleicht kommt es nicht dazu. Vielleicht brauche ich so viele Monate, Jahre und Jahrzehnte, um ihn zu Ende zu schreiben, dass ich in einer Irrenanstalt lande, wo ich – wahrlich, das denke ich – hingehöre. Aber kein Grund zur Sorge. Alles, was ich tun muss, ist, weiter diese Tasten zu drücken und der Roman wird sich selbst aus dem Ärmel schütteln.
     So. Was für zwei verrückte, mit Abenteuern vollgepackte Monate waren das. Hier ist einer der Höhepunkte der letzten Wochen, seit ich das letzte Mal auf diesen Seiten bloggifizierte: die einfallsreiche, witzige Inszenierung von My Pain is Worse Than Your Pain von dem einzigartigen und ganz und gar urkomischen Jeff Goldblum in der MBar in Hollywood für das WordTheatre. Er stellte den Erzähler als einen Betrunkenen dar, was er wirklich ist, und erntete stürmischen Beifall. Wie gesagt, was für ein Kick, wenn man erlebt, wie ein guter Schauspieler einem sein Werk darstellt, ganz zu schweigen wie reinigend eine gute Dreiviertelstunde ungetrübten Lachens sein kann. Dazu kommt, dass ich am Wochenende darauf im Getty Theater noch eine Dosis bekam, als Isaiah Sheffer Rapture of the Deep in dem fast überfüllten Theater spielte – auf brillante, schöne Weise: Er war Cousteaus vielgeplagter Koch. Mein Gott. Die Leute haben geheult vor Lachen. Die Show musste echt kurz unterbrochen werden, als eine Gruppe fassungsloser Frauen links von der Bühne erschrocken aufschrie, als Bernard (der besagte Koch) die Expedition sabotierte, indem er den mit knapp 2000 Litern Rohwein gefüllten Tank der Calypso ins Meer laufen ließ (das weindunkle Meer, heißt das).
     Und ich? Ich trottete von einem der unzähligen Auftrittsorte zum nächsten und gab einen Ausschnitt vom neuen Buch und meiner alten Kurzgeschichte zum selben Thema zum Besten: Ende der Nahrungskette. Es war leicht, die Leute zum Lachen zu bringen. Und ihnen Schrecken wie den oben genannten einzujagen. Außerdem bekam ich mitten unter alldem die aktuelle Ausgabe von Storie, der italienischen Zeitschrift, die zum zweiten Mal ein Werk von mir als Titelthema brachte. Ich danke Barbara Pezzopane für die Zusammenstellung des Hefts und Carlo Mello für seine Übersetzung. Selvaggio (Wild Child) liegt uns damit komplett vor, sowohl auf Italienisch als auch auf Englisch, sowie ein Interview mit dem Autor und ein kurzer lyrischer Auszug aus Die Frauen, der aus dem Original gestrichen worden war. Sehr schön. Und das Titelbild zeigt ein altes Blatt Papier mit handgeschriebenen Notizen in dem fast unlesbaren Geschmier, das ich verwende, um den C.I.A. und jede andere Agentur zu täuschen, sterblich oder unsterblich, die vielleicht wirklich herausfinden will, was es mit mir auf sich hat. Diese Notizen, soweit ich das feststellen kann, gehören zu Ein Freund der Erde aus dem Jahr 2000.
     Und hier habt ihr es, meine Freunde. Nachdem ich so viel über die Natur und mein Bedürfnis, in der Wildnis allein zu sein (während ich in verschiedenen Hotelzimmern wohnte) geredet habe, habe ich jetzt endlich eine Gelegenheit, in die Berge abzuhauen, in denen ich schon viel zu lange nicht mehr war. Wie viele von Euch wissen, konnte ich über die Weihnachtsfeiertage nicht in die Wälder des Sequoia Nationalparks gehen, weil ich mich immer noch von dem Beinbruch erholte, den ich Ende letzten Sommer hatte (warum, ach, warum nur habe ich das Schicksal herausgefordert, indem ich My Pain is Worse Than Your Pain schrieb, in dem der Erzähler sein Bein nicht nur einmal, sondern zweimal bricht?), und ich freue mich darauf, mich mit dem Wald und seinen Bewohnern wieder bekannt zu machen. Alles in Ordnung. Echt unüberwindlich. Aber ich habe noch einen Termin, und zwar meinen jährlichen Solo-Auftritt bei der L.A. Times Buchmesse, wo ich am 30. April um 11 Uhr 30 vormittags im Bing Theater auf dem Campus der University of Southern California erscheinen werde, die der anderen Uni in der Stadt – wie hieß die noch mal? – ihre Pflichten als Gastgeber abgenommen hat.
     Und was jetzt anbelangt, just diesen Augenblick? Eine erfrischende Tasse von meinem Lieblingstee und in meiner Vorstellung kehre ich zurück zu der kältesten, windigsten und abgelegensten aller Kanalinseln, San Miguel.

P.S.: Aber halt, wartet. Ich muss meine deutschen Leser darauf aufmerksam machen, dass meine neueste Geschichte, die ich letztes Frühjahr um diese Zeit geschrieben habe, am Osterwochenende in der Süddeutschen Zeitung erscheint, in der Übersetzung von Dirk van Gunsteren. Dabei handelt es sich um meine Tschernobyl-Geschichte In der Zone, die hierzulande für die nächste Ausgabe der Kenyon Review geplant ist. Wegen der traurigen Ereignisse in Fukushima hat die Geschichte eine direkte Relevanz, vor allem in Deutschland, wo Proteste die Atomkraftwerke geschlossen haben.

P.P.S. Okay, jetzt. Tschüss.


Im Original erschien der Text am 11. April 2011 auf www.tcboyle.com. Veröffentlichung des Textes auf www.tcboyle.de mit freundlicher Genehmigung von T.C. Boyle. Verwendung der deutschen Übersetzung mit freundlicher Genehmigung von Sabine Anders.